Sebastian Kurz hatte vor einer Woche völlig recht, als er im ZIB 2 Interview als Reaktion auf den Ausgang der Präsidentenwahl in Frankreich sagte: Wenn die etablierten Parteien sich nicht ändern, werden sie abgestraft. Ehrlicher wäre es da schon gewesen zu sagen: Wenn sie sich nicht selbst aufgeben....

Denn jene Bedingungen, die er am Sonntag dem ÖVP-Vorstand auf den Tisch knallen will und die nun lanciert wurden, bedeuten nichts anderes als die Selbstaufgabe der ÖVP. Vielleicht doch etwas anderes: Nicht weniger als die Kastration einer Partei, die Entmannung aller im ÖVP-Vorstand vertretenen ÖVP-Funktionsträger – Frauen spielen ja auch in diesem Gremium mit Ausnahme Johanna Mikl-Leitners keine Rolle.

Die kastrierenden Bedingungen laut Medienberichten: Eine eigene Kurz-Liste, unabhängig und nur von der ÖVP unterstützt; totales Durchgriffsrecht ohne Zustimmung der ÖVP-Gremien auf Bundesliste, Veto-Recht bei Landeslisten; Alleinentscheidung bei Generalsekretär und Regierungsmitgliedern ohne Mitsprache der ÖVP-Gremien; Alleinentscheidung bei Abschluss einer Koalition; Alleinbestimmung bei inhaltlicher Linie der Partei; Änderung der Parteistatuten nach dem Willen von Kurz ohne Parteitag nur per Unterwerfungsdekret des ÖVP-Vorstandes.

Das lässt für die ÖVP-Vorstandssitzung drei Varianten offen:

1. Landeshauptmänner, Bündechefs und alle anderen Mitglieder des ÖVP-Vorstandes stimmen der Entmannung zu, was der sensationellen Variante einer Eigenkastration gleichkommt. Die ÖVP als Partei verschwindet auch nach einem vermeintlichen Sieg des 30jährigen bei der nächsten Wahl.

2. Es kommt zu irgendeinem Kompromiss, denn die Bedingungen enthalten wahrscheinlich einige Soll-Bruchstellen, die Kurz abschwächen kann. Danach ist die Situation für die ÖVP so unklar wie bisher und Raum für weitere Intrigen und Zwist weit offen. Denn etliche der Forderungen von Kurz waren schon seinen Vorgängern zugestanden worden, auf dass diese Zugeständnisse in der Folge prompt „vergessen“ wurden.

3. Die ÖVP-Vorstandsmitglieder ermannen und erfrauen sich und weisen Kurz darauf hin, dass er als uralter Parteifunktionär ohne die ÖVP nichts wäre. Und bedeuten ihm: Mach Dir das alleine!

Ob Kurz bei Variante 3 dann den Mut hat, als Außenminister sofort zurück zu treten und sich mit seiner eigenen „Liste Kurz“ der Wahl der Österreicher spätestens in eineinhalb Jahren zu stellen, wird man sehen. In Wahrheit ist er trotz seines jungen Alters ein Ewig-ÖVP-Funktionär und Berufspolitiker und als solcher in der Partei sozialisiert.

Es gibt natürlich auch eine vierte Variante, die für ihn persönlich die beste wäre: Er tritt als Außenminister sofort zurück, verlässt die Politik, beendet sein Studium, arbeitet einmal ein paar Jahre am freien Markt und kehrt dann als gereiftes politisches "Ausnahmetalent" in die Politik zurück.

Dann gibt es zwar keine ÖVP mehr, die er erpressen kann, aber irgendeine Gruppe wird sich finden. Dann fällt ihm vielleicht auch auf, dass er 2017 nur egomanische Bedingungen gestellt hat ohne jede grundlegende Erneuerung der demokratischen Verfasstheit Österreichs.

Kein Wort von direkter Demokratie nämlich falls das in der aktuellen Erregtheit niemandem aufgefallen sein sollte.

P.S. Niederösterreichs Landeshauptfrau habe ich in der ersten Version offenbar verdrängt.Entschuldigung!

ÖVP Fotograf

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