Die Suche nach der verlorenen Bedeutung

Österreich im Visier des IS, Ebola auch in Österreich, Bundeskanzler Werner Faymann auf Friedensmission für Ukraine: Solche oder ähnliche Schlagzeilen gab es in den letzten Wochen – vor allem, aber nicht nur, am Boulevard. Da zeigt sich wieder das alte Phänomen: Österreich will auch „wer“ sein, will dazu gehören zu den Gefährdeten oder den Anerkannten, weil das die Bedeutung des Landes erhöht. Seht her, wir sind auch wichtig!

Da nimmt man Angstmache, unrealistische Szenarien oder völlige Selbstüberschätzung schon in Kauf – selbst um den Preis, sich dabei lächerlich zu machen. Da hat der eine oder andere international Prominente, der entweder noch nie etwas mit Österreich im Sinn oder schon ewig lange mit dem Land nichts zu tun hatte, plötzlich „österreichische Wurzeln“ und wird einer „von uns“. Das war bei US-Außenminister John Kerry so, dessen Wurzeln die Medien am Rand von Wien entdeckten­. Das war bei einem Nobelpreisträger so, den das Land einst verjagt und als Geehrten wieder vereinnahmt hat.  Das verdichtet sich in dem uralt Witz, dass für die Österreicher Ludwig van Beethoven, der Deutsche aus Bonn, ein Österreicher ist und Adolf Hitler, der Österreicher aus Braunau, ein Deutscher waren.

In letzter Zeit wurde die Suche nach der verlorenen Bedeutung aber grotesk. Es kann doch nicht sein, dass das Ebola-Virus die ganze Welt in Angst und Schrecken versetzt, Österreich aber verschont? Wo käme man denn da hin, nur weil es keine Direktflüge von Afrika nach Wien gibt? Natürlich müssen Vorkehrungen getroffen werden, das ist Aufgabe des Gesundheitsministeriums. Aber mit Gewalt medial einen Ebola-Verdacht zu suchen, ist einfach albern.

Zu den Terrordrohungen der  brutalen Truppen des „Islamischen Staates“ für die westliche Welt: Natürlich ist die Tatsache, dass aus Österreich überdurchschnittlich viele junge Radikale in den Krisengebieten zu finden sind, erschreckend und muss Beachtung, Analyse und Konsequenzen auslösen. Natürlich könnte es sein, dass sich die IS-Bande bewusst ein kleines Land mit unterentwickelter Sicherheitslage für einen Terroranschlag aussucht, ganz einfach, weil er hier leichter durchzuführen wäre, aber das rechtfertigt noch lange nicht Angstmache, um auch wichtig zu sein.

Vor allem nicht in einem Land, in dem die Behörden eher verharmlosen, um ja nicht tätig werden zu müssen. Nur zwei Beispiele: In einem TV-Interview erzählte die Mutter eines Berufsschülers, der sich per Video aus Syrien mit einem Gewaltaufruf gemeldet hatte: „Ich habe die Polizei und den Verfassungsschutz informiert – die haben immer gesagt: Ich übertreibe, ich soll mich nicht aufregen, das ist nur eine Phase.“

Nichts tun, dann aber vor möglichen Gefahren erschaudern: Darin soll uns niemand übertreffen.

Amer Albayati von der „Initiative liberaler Muslime in Österreich“ hat es laut Medienberichten auf den Punkt gebracht: „Keiner will in Österreich wahrnehmen, dass radikale Elemente des Islam im Wachsen sind.“ Jedenfalls so lange nicht, bis wir uns international wichtig machen können.

Statt dem Hang zur Wichtigtuerei zu pflegen, könnten die Medien ja ihre Energie darauf verwenden,  von Politik und Behörden nachhaltig Konsequenzen einzufordern. Nichts hören, nichts sehen, nichts tun, sich dann aber aufplustern ist zwar Tradition in Österreich, aber nicht sehr zukunftsträchtig.

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Silvia Jelincic

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fischundfleisch

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