Spannender war noch kein Wahltag bisher als diese Stichwahl am Sonntag um das Amt des Bundespräsidenten. Länger musste die Öffentlichkeit noch nie auf ein Wahlergebnis warten – als bei dieser Entscheidung zwischen Norbert Hofer (FPÖ) und Alexander Van der Bellen (vormals Grüne), die erst am nächsten Tag bekannt gegeben werden kann. Und doch – im Grunde egal.

Denn wer immer von den beiden in die Hofburg einzieht, es gilt eine Reihe von Fehlern zu vermeiden:

Im Fall einer Hofer-Präsidentschaft: Es wäre geradezu fahrlässig zu glauben, damit wäre die FPÖ politisch quasi „konsumiert“ und die Chancen der Partei, mit Heinz Christian Strache nach der nächsten Nationalratswahl den Bundeskanzler zu stellen, zerstört.

Es wäre fahrlässig zu glauben, damit erspare man sich die Mühe, Klarheit über diverse Positionen der FPÖ einzufordern, sich damit auseinander zu setzen: Wie ist die Einstellung dieser Partei zur EU in ganz konkreten Punkten? Teilt sie die Position der Front National und Marie Le Pens in Frankreich, die kürzlich von der Zerstörung der EU gesprochen hat? Wie ist das Verhältnis der FPÖ zu Russland im Detail? Die Liste ist beliebig fortzusetzen, denn auf keinem der Politikfelder - von der Bildungs- bis zur Umweltpolitik – wurden der FPÖ bis jetzt konkrete Pläne abverlangt.

Im Falle einer Van der Bellen-Präsidentschaft: Es wäre ein grober Irrtum zu glauben, damit würde sich das Land wieder beruhigen und könnte fortfahren wie bisher; anzunehmen, Österreich bliebe dann die Aufregung im Ausland erspart, welche bei einer Präsidentschaft eines Vertreters der Rechten unvermeidlich wäre – und daher auch die grundsätzliche und eingehende Beschäftigung mit notwendigen Veränderungen.

Darüber hinaus wäre es ein grober Fehler zu glauben, Österreich, seine Politiker, seine Medien können nach dieser Wahl zur gewohnten Tagesordnung zurück kehren. Da ist nicht einmal die jetzt so oft beschworene „Spaltung“ des Landes gemeint. Sie beweist nur, dass wir nach wie vor lediglich in den alten Kategorien denken wollen, während diese Wahl und ihre Umstände jedoch eine Flexibilität abverlangen, an die wir uns noch nicht gewöhnt haben: Die Flexibilität einzusehen, dass nichts mehr so sein wird wie es in den letzten Jahrzehnten in der Politik war.

Wie schwer wir uns damit tun beweist schon der Ruf nach einer „eingehenden“ Diskussion über die wahren Möglichkeiten eines österreichischen Bundespräsidenten und einer eventuellen Einschränkung derselben. Es wäre schließlich ein grober Fehler, die notwendigen Reformen darauf beschränken zu wollen – so nach dem Motto: Man begrenze nur die verfassungsmäßigen Befugnisse der Präsidentschaft und schon ist die Gefahr noch größerer Verwerfungen in der politischen Landschaft gebannt.

Diese Verwerfungen nehmen ihren Ausgang nicht in der Hofburg, sondern ganz allgemein von einem System, von dem zwar jahrzehntelang ein Großteil der Bevölkerung profitiert hat, das nun aber brüchig geworden ist und den geänderten Umständen nicht mehr entspricht.

Dieses System muss wieder tragfähig gemacht werden. Und das sollte keinesfalls Aufgabe des österreichischen Bundespräsidenten sein, sondern Aufgabe von Regierung und Parlament.

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