Sollte sich Neos-Chef Matthias Strolz in Zukunft je fragen müssen, wann er einen Gutteil seines politischen Kapitals, das er für die Erneuerung Österreichs einsetzen wollte, verspielt hat, dann sollte er über den Oktober 2014 nachdenken. Spätestens jetzt bei der Ankündigung von Justizminister Wolfgang Brandstetter, im neuen Drogenstrafgesetz den Gebrauch von Cannabis straffrei zu stellen, ist klar: Der Cannabis-Beschluss der Neos-Mitgliederversammlung am 26. Oktober und vor allem Strolzs Reaktion in einem ZIB 2 Interview waren kommunkationstechnisch ein GMF, ein größtmöglicher Flop.
Freigabe, Legalisierung, Straffreiheit: Die Öffentlichkeit wird da nicht so genau unterscheiden. Das heißt, Neos und Strolz haben sich im Oktober ohne Not einen Imageverlust eingehandelt, den sie sich sparen hätten können. Knapp ein Monat später hat nämlich auch der SPÖ-Parteitag auf Drängen der Jugend einen Beschluss zur Entkriminalisierung von Cannabis gefasst – und fast niemanden hat es mehr interessiert. Zwar wollte die Parteijugend eine Legalisierung, aber, wie gesagt, in den Augen der breiten Öffentlichkeit sind das Spitzfindigkeit. Es wurde die Entscheidung der SPÖ zwar gemeldet, aber nicht annähernd so aufgeregt kommentiert wie jene der Neos.
Dabei hatte Strolz in seinem Rechtfertigungsinterview mit Armin Wolf immer wieder darauf hingewiesen, dass es um die Entkriminalisierung von rund 500.000 Cannabis-Konsumenten in Österreich gehe. Von welchen guten Geistern, die er ja bei diversen Waldwanderungen immer einsammeln möchte, der Neos-Chef bei diesem Interview verlassen worden ist, lässt sich nicht ergründen. Statt sich mit einem Schmäh a la Bill Clinton („I did not inhale“) aus der Affäre zu ziehen, reagierte er konsterniert wie alle anderen Politiker zum Missvergnügen der Zuseher: Die Neos hätten so viele wichtige Themen, aber dazu frage man ihn nicht. Die Neos hätten dies und das, aber die Journalisten ritten immer nur auf Unwesentlichem herum. So dünnhäutig, so beleidigt – als wäre er von der FPÖ.
Der GMF des Kommunikationsexperten Strolz war aber kein isoliertes Hoppala und zeichnete sich bereits ab: Zu diesem Zeitpunkt waren Stolzs gute Geister nämlich bereits auf der Flucht. Ein paar Wochen vorher hatte er eine verkrampfte Ode auf die Kastanie just der „Kronen Zeitung“ zur Veröffentlichung gegeben. Ausgerechnet er konnte dem Reichweiten-Populismus nicht widerstehen. Wie viel Esoterik verträgt das Land? Vor allem von jemandem, von dem man sich handfeste Erneuerung des Landes erhofft hat. Das hat Strolz damals völlig falsch eingeschätzt. Und dann kam zur Kastanie noch das Kraut (Englisch: weed). Und Strolz war offenbar bereits so außer Tritt, dass er und die Neos sich nicht überlegt haben, wie der Cannabis-Beschluss richtig zu kommunizieren wäre.
Und jetzt reibt ihm das alles auch noch das Justizministerium unter die Nase. Auch die geplante Änderung des Drogenstrafrechts – womöglich auch noch inklusive Ecstasy, wie gemeldet – inspiriert zur Zeit kaum jemanden zu aufgeregten Kommentaren. Die Stoßrichtung ist zwar die gleiche wie bei Strolz, aber anders dargestellt. Nur der Justizsprecher der FPÖ echauffiert sich noch.
In den USA gilt in 36 von 50 Staaten bereits Straffreiheit – Tendenz steigend. An Mangel an Argumenten pro und kontra kann es also nicht liegen. Was würde denn in dieser Situation Strolz, der Berater, Strolz, dem Politiker, raten, wie er sein vergeudetes politisches Kapital wieder aufstocken könnte?
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