Sicher gibt es im Moment Wichtigeres und Betrüblicheres als die fragwürdige Einstellung des Dritten Nationalratspräsidenten zur Bundesverfassung. Allerdings nicht in Österreich – was für ein glückliches Land -, weil es hier um die demokratische Verfasstheit geht. Und da hat der FPÖ-Kandidat schon im Wahlkampf um die Bundespräsidentschaft und eben jetzt wieder als Reaktion auf das britische Referendum zum EU-Austritt gefährlich krause Meinungen vertreten.
„Das Recht geht vom Volk aus“? Mitnichten es geht von der Republik und ihren Institutionen aus. „Österreich ist eine demokratische Republik. Ihr Recht geht vom Volk aus“. In goldenen Lettern prangt der Artikel 1 an der Stirnseite des Verfassungsgerichtshofs über den Höchstrichtern. Die FPÖ-Vertreter werden das während der Anhörung zur Anfechtung der Stichwahl wohl gelesen haben.
Regierung entlassen, wenn sie sich in die „falsche“ Richtung bewegt? Und wer in einer Demokratie außer den Wählern entscheidet, welche Richtung richtig und falsch ist? Sicher nicht der Bundespräsident oder Norbert Hofer.
Und jetzt wieder: Ein Ultimatum an die EU? Sollte sie sich nicht binnen eines Jahres in die richtige Richtung entwickeln, dann sollte auch in Österreich eine Abstimmung über einen EU-Austritt erfolgen. Was den Zeitrahmen anlangt, zeigte sich sogar sein Chef, Heinz Christian Strache, vernünftiger (http://diepresse.com/home/politik), obwohl auch er von der Möglichkeit eines „Auxit“ (wie originell!) spricht.
Nun nehmen wir die beiden FPÖ-Politiker ernst, weil es offenbar in dieser Zeit Möglichkeiten gibt, die bisher unvorstellbar waren. Was immer Hofer unter Referendum, Befragung, Abstimmung gemeint haben mag, es kann sich nur um eine Volksabstimmung handeln. Sie alleine wäre bindend, denn alles andere – Volksbegehren, Volksbefragung – wäre nicht bindend und daher Humbug.
Österreich hat sich 1994 mit 64 Prozent für einen EU-Beitritt auf der Basis des entsprechenden Gesetzes entschlossen. Also müsste im Nationalrat ein Austrittsgesetz mit Zweidrittel-Mehrheit zuerst beschlossen werden. Nur ein solcher Verfassungsbeschluss könnte dann Gegenstand einer neuen Volksabstimmung sein.
Es hat sich schon bei der Volksbefragung zur Wehrpflicht gezeigt, dass viele Politiker, auch Strache, und Medien, vor allem am Wiener Boulevard, die Dinge nicht auseinander halten konnten. Sie faselten und schrieben von einer Volksabstimmung, während das Ergebnis der Volksbefragung nur durch die Selbstbindung der Regierung bindend wurde.
Und in welcher Konstellation sollte ein Austritts-Gesetz die notwendige Mehrheit im Nationalrat bekommen? Unter einem Bundeskanzler Heinz Christian Strache? Da müssten bereits alle anderen Parteien von Sinnen sein. SPÖ und ÖVP müssten bereits Selbstmord begangen, NEOS und Grüne sie mit einem Stimmanteil von über 20 Prozent ersetzt und ihre bisherige Politik gänzlich entsorgt haben.
Haarspaltereien das alles? Mag sein. Aber man kann Politikern, die Bundespräsident und Bundeskanzler werden wollen, einen derart schlampigen Umgang mit den Spielregeln unserer Demokratie nicht durchgehen lassen. Wenn sie beginnen, falsch zu spielen, kann es schon zu spät sein.
Schlag nach unter „Brexit“.