Die Lage ist ernst. Man darf sich nicht lustig machen, nichts ins Lächerliche ziehen. Schon gar nicht, wenn es um die Staatssicherheit und das Gesetz geht. Nur, bei dem unlogischen Stimmengewirr der letzten Zeit im Zusammenhang mit der Terrorismusbekämpfung könnte man weinen vor Lachen – weniger über die Sache selbst als über das Wirre dahinter in der österreichischen Realität.
Da ist einmal der geplante Einsatz von V-Männern (wo bleibt übrigens die Gleichbehandlung?) in der Salafistenszene. Er wurde so intensiv diskutiert und so flächendeckend publiziert, dass wahrscheinlich schon der harmloseste Migrant demnächst seinen Nachbarn als Spitzel sehen könnte, was ja nicht gerade der Zweck von „verdeckten Ermittlungen“ sein kann. Wie also stellt man sich denn das im Innenministerium vor, wenn sogar der Leiter des Bundesamts für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung, Peter Gridling, zugibt, man brauche Spitzel aus dem radikalislamistischen Milieu, weil die Behörde einfach nicht über genügend Leute verfügt, die sich überhaupt mit den Sprachen, den Codes, dem Verhalten dort auskennen. Welchen Wert sollen dann die von V-Leuten angebotenen Informationen haben, wenn es kaum jemanden gibt, der diese richtig einordnen oder als Falschinformation entlarven kann.
Im schlimmsten Fall können dann diese bezahlten Spitzel, die ja Teil der von ihnen ausspionierten Community sein müssten, mehr Schaden anrichten als verhindern. Ablenken, fehlinformieren, falsche Fährten legen – all das wäre möglich. Nun rächen sich die Versäumnisse der letzten Jahre. Hätte das Bundesamt mehr Aufmerksamkeit auf Ausbildung und Einsatz von Mitarbeitern gelegt, die sich in Sprache und Kultur der zu beobachteten Kreise auskennen, hätte der Einsatz von V-Leuten vielleicht mehr Sinn. So aber ist zu befürchten, dass man sich genau dadurch wieder den Aufbau von Kompetenz in diesem Bereich ersparen will und so leichter in die Irre zu führen ist.
Da ist keine Logik zu erkennen: Wenn es in Österreich so viele potenzielle Terroristen gibt, dass ein Ausnahmezustand gerechtfertigt ist, wie uns Innenministerin Johanna Mikl-Leitner eben dieser Tage weismachen will, dann werden diese wohl unschwer Spitzel erkennen, ausschalten oder „umdrehen“ können, selbst wenn diese nicht bereits so sozialisiert sind, dass sie wie weiland Kottan tollpatschig durch die Szene stapfen oder mit aufgestelltem Mantelkragen schleichen.
Es scheint überhaupt eine ganz eigenartige Vorstellung – wahrscheinlich aus Mangel an richtigen Erkenntnissen – über die wahre Situation zu herrschen. So meinte Mikl-Leitner dieser Tage in einem ZIB-Interview: Bei der sogenannten „Gefährdenansprache“„kann man einen Gefährder belehren, wenn er gewisse Handlungen setzt, was das für Konsequenzen hat“. Ganz so als wäre ein potenzieller Attentäter (und diesen will man ja zu Recht rechtzeitig erkennen) ein Fussballrowdie. Muss man sich das dann also so vorstellen: Der „Gefährder“ wird auf die Polizeistation gebeten und es wird ihm bekundet: „Sollten Sie an einen Bombenanschlag denken, dann haben Sie damit zu rechnen, erschossen zu werden“. Ernsthaft?
Wie gesagt, die Lage ist ernst. Eigentlich zu ernst, um so wirr darauf zu reagieren, wie dies in letzter Zeit der Fall war. Nicht ein Tag verging, an dem der Öffentlichkeit nicht ein neuer Vorschlag vorgesetzt wurde, der irgendwie nicht logisch ist. Wie war das doch mit dem Hausarrest für verdächtige Personen, denen man (noch) keine Straftat nachweisen kann. Warum wird das überhaupt angedacht, wenn es doch bei häuslicher Gewalt etwa gängige Polizeipraxis ist, nicht einzuschreiten, solange nichts passiert ist. Auf den reinen Verdacht hin, es werde zur Gewalt gegen eine Frau kommen, könne man gar nichts machen. Gibt es verschiedene Klassen an Verdachtsgründen? Entweder es gilt das Prinzip, dass der reine Verdacht nicht genügt, oder nicht. Wenn nicht, warum dann nicht in allen Fällen?
Punkto Verdacht: Mitunter kann man sich des Verdachts nicht erwehren, Mikl-Leitners Hektik zielt darauf ab, so viele Begriffe wie möglich in die Diskussion zu werfen, auf dass sich am Ende niemand mehr auskennt und Maßnahmen ohne ausreichende öffentliche Kontrolle beschlossen werden können. Das gilt zum Beispiel für den nun geplanten Ausnahmezustand und den von ihr bereits im Mai ausgerufenen Notstand. Rein rechtlich gesehen hat sie damals angekündigt, es gebe eine „gefährliche Situation“, die rasch – auch unter Umgehung von geltenden Gesetzen – beseitigt werden müsste. Nur, sie hat nicht danach gehandelt. Jetzt sieht sie also einen „Ausnahmezustand“, der – wieder rein rechtlich gesehen – „die Existenz des Staates gefährdet“. Wenn dem so wäre, müsste sie ebenso rasch handeln. Gut, dass sie erst eine Expertise einholt, aber dies hätte sie auch ohne Ausrufung des Ausnahmezustands jetzt tun und mit den konkreten Notwendigkeiten und Möglichkeiten danach an die Öffentlichkeit gehen können.
Mit Begriffen wie diesen sollte man in einer Demokratie vorsichtig umgehen. Die wirre Art, mit der die Regierung auf Flüchtlingskrise und Terroranschläge in Paris, reagiert – ist nicht zum Lachen. Zur Zeit sollte man davor die größte Angst haben.