Halten Sie die Luft an, Herr Strache! #politik

Nach den ersten zehn Minuten des ORF-Sommergesprächs am Montag mit FPÖ-Chef Heinz Christian Strache war man nur von einem Wunsch beseelt: Hans Bürger möge endlich den befreienden Satz sprechen: „Halten Sie einmal die Luft an, Herr Strache!“ Die Methode, ohne Punkt und Beistrich, ohne Nachdenkpause oder Luftholen zu reden, ist seit den Tagen von Jörg Haider & Co bekannt. Und wirksam. Sie verhindert, dass der Interviewer in dem kurzen Moment des Atemholens eine Zwischenfrage stellen oder auch nur eine Bemerkung machen kann.

Auch deshalb glichen dann etliche Reaktionen auf diese Stakkato-Stunde im Fernsehen jenen aus Haiders Zeiten wie ein Ei dem anderen: Bürger habe Strache nicht „entzaubern“ können, sei ihm nicht gewachsen gewesen etc. Das alles hatten wir bei Haider auch und genau so. Dabei sagt das gar nichts über den Inhalt der Antworten Straches aus und auch nichts über die Gesprächsführung – nur über die Technik der meisten FPÖ-Politiker: Rede so schnell und atemlos, dass dem Gegenüber keine Gelegenheit gegeben wird, nachzufragen. Rede einfach über jeden Ansatz zu einer Zwischenfrage oder jeden Einwand drüber, ignoriere beide so lange bis das Gegenüber einfach aufgibt.

Zu Haiders Zeiten haben wir uns schon mit dieser Art von Fernsehauftritten beschäftigt und haben ihr bald einen Namen gegeben: NLP! Neuro-Linguistisches Programmieren. Darunter versteht man in der gängigen Definition Kommunikationstechniken und Methoden, mit deren Hilfe Vorgänge im Gehirn mit Hilfe der Sprache und diverser Handlungsanleitungen verändert werden können.  NLP für Dummies so etwas wie: Man folge einer ganz bestimmten Anleitung und setze die Sprache so ein, dass sie das Gegenüber in gewisser Hinsicht manipuliert, um den gewünschten Zweck zu erreichen.

Oder anders ausgedrückt: „Stay on the message“, bringe nur Deine Botschaft durch. Das ist gängige Praxis geschulter Politiker. In der NLP-Version geschieht das sprachlich so, dass das Gegenüber keine Chance zu Kritik oder Gegenrede bekommt.  Haider beherrschte das perfekt und Strache ist sein Schüler.

Zu Haiders Zeiten in den neunziger Jahren kursierte einmal eine grafische Aufstellung dieser NLP-Technik, wie sie angeblich in der FPÖ verteilt worden ist. Ich habe noch immer dieses Blatt Papier vor Augen: Verschiedene zarte Farbentöne, verschiedene Linien, die offenbar Gehirnströme darstellen sollten, Kreise, Wellenlinien etc. Dem Nicht-Geschulten erschloss sich der Sinn in keiner Weise. Eine verwirrende Darstellung – von was eigentlich? Wir Journalisten hätten wahrscheinlich schon damals in Scharen NLP-Seminare besuchen sollen, um dieser Technik des Nicht-Eingehens auf die eigentlichen Fragen,  des Absetzens einer ganz gezielten Botschaft ohne Rücksicht auf die Gesprächssituation, der Methode des Nicht-Dialogs wirkungsvoller entgegentreten zu können.

Möglich, dass einige Kollegen sich der Mühe unterzogen haben. Es ist mir nicht bekannt.

Und jetzt also bei Strache dieselbe Situation. Allerdings hätte Haider gewusst, wer die Bundeshymne verfasst hat und aus Paula von Preradovic nie und nimmer eine „Belakowitsch“ oder was immer Falsches gemacht. Nur als Meister der Atemlosigkeit konnte Strache damit rechnen, dass diese Blamage entweder nicht auffällt oder er sie später abstreiten könnte. Das ist eine Methode, sich über Fakten hinwegzusetzen oder rhetorische hinwegzuturnen, die schon zu Haiders Zeiten sehr wirksam war. Sie hat den Vorteil, das Gegenüber desavouieren zu können: Eben zu langsam im Denken, um den rasanten Redefluss des Interviewten auch folgen zu können oder gar in gewünschte Bahnen zu lenken.

Den Beweis lieferten wieder die Reaktionen auf den TV-Auftritt Straches: Wieder ging es mehr um die Art und Weise seines Auftretens und die Frage, ob der ORF-Journalist ihm etwas entgegen zu setzen hatte oder nicht als um den Inhalt der Antworten. So konnte sich Strache wieder jede konkrete alternative Lösung zu den derzeitigen Problemen sparen.

Ein zweites Ausländervolksbegehren mit dem Plagiattitel „Österreich Zuerst“ wird den Flüchtlingsstrom aus Syrien nicht stoppen. Ein Verstoß gegen EU-Recht (Niederlassungsfreiheit), um Betriebe aus Osteuropa von Österreich fern zu halten, wird die Arbeitslosigkeit nicht senken. Und sollte er am Montag tatsächlich etwas zur Bildungspolitik gesagt haben, so war es in dem Redeschwall nicht zu verstehen.

Kein Wunder, dass Bürger im letzten Drittel erschöpft wirkte.

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