„Die Verweigerung des Wehrdienstes sei kein ausreichender Grund, in Österreich Asyl zu bekommen, auch wenn der Bewerber bei einer Rückkehr in sein Heimatland eine harte Strafe zu erwarten habe.“ Ich erinnere mich gut: So oder so ähnlich stand es in einem ablehnenden Bescheid an einen Asylwerber aus einem nordafrikanischen Bürgerkriegsland Mitte der 90er-Jahre zu lesen. Irgendwo in den Papieren liegen Bescheide mit haarsträubenden Begründungen noch herum.
Das war vor 20 Jahren. Das waren die Jahre des zerfallenden Jugoslawiens. Das waren aber auch die Jahre, in denen die Fremdenpolizei so etwas wie die Strafabteilung der österreichischen Bürokratie war, in die Beamte versetzt wurden, für die sich anderswo keine Verwendung fand. So sahen dann die Bescheide auch aus. Das waren aber auch die Jahre, in denen das sogenannte „Ausländerthema“ zum politischen Vorteil der FPÖ und Jörg Haiders die Gemüter zu erhitzen begann.
Seither ist viel geschehen. In personeller und bürokratietechnischer Hinsicht Positives. Und dennoch hat das wunschlose Unglück Österreichs mit dem Asylthema damals seinen Ausgang genommen. Damals begann die Verwirrung in den Köpfen: Flüchtling, Asylwerber, Zuwanderer – alles geriet irgendwie durcheinander unter dem immer stärker negativ besetzten Begriff „Ausländer“. Seit damals haben wir es zugelassen, dass sich der Generalverdacht, jeder Asylwerber wolle sich nur das bessere Leben in einem gut ausgestattetem Sozialsystem erschleichen, in den Köpfen festgesetzt hat.
„Massen-Exodus der Kosovaren“ oder „Massenflucht aus dem Kosovo“ ist heute so geeignet, den Österreichern Angst zu machen wie damals jede Flüchtlingswelle aus Ex-Jugoslawien. Man führe sich nur die Online-Reaktionen auf die entsprechenden Artikel in den Medien zu Gemüte. Österreich verzeichnet allein im Jänner über 1.000 Anträge von Asylwerbern aus dem Kosovo. Aber es handelt sich eben nicht um Flüchtlinge und auch nicht um Asylwerber, sondern um Migranten oder Zuwanderer.
Hätten wir in unseren Köpfen nicht seit zwei Jahrzehnten diese Verwirrung und wäre diese nicht für parteipolitische Zwecke missbraucht worden – einmal von der einen, einmal von der anderen Regierungspartei, von der FPÖ immer -, hätten wir jetzt Klarheit im Kopf: „Ein Flüchtling ist ein Flüchtling ist ein Flüchtling“ habe ich vor einigen Wochen in der „Presse“ geschrieben und damit etliche Leser sehr verärgert.
Aber was an dem Begriff „Flüchtling“ ist so schwer zu verstehen? Laut Genfer Konvention ist dies eine Person, die „aus der begründeten Furcht vor Verfolgung wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Überzeugung sich außerhalb des Landes befindet, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzt, und den Schutz dieses Landes nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Befürchtung nicht in Anspruch nehmen will“.
Mit Ausnahme Angehöriger der Roma-Minderheit trifft dies auf Personen, die nun aus dem Kosovo wegziehen, sicher nicht zu. Also reden wir von einer zu erwartenden Einwanderungswelle und davon, dass Europa den Kosovo beim Wiederaufbau in Stich gelassen hat. Reden wir davon, dass dem Engagement der EU und auch Österreichs, dem Kosovo beim Aufbau eines politisch und wirtschaftlich funktionierendem Staatsgefüges keine Priorität eingeräumt wurde, und davon, dass das Entsetzen jetzt nur ein künstliches ist. Aber reden wir nicht von Armutsflüchtlingen und Wirtschaftsflüchtlingen, sondern von Einwanderern legal oder illegal.
Wie schon in der Vergangenheit will man sich offenbar jetzt auch nicht die Mühe einer sauberen Trennung der Begriffe und der Durchsetzung der jeweils entsprechenden Vorschriften machen, sondern wieder ein neues Gesetz für ein neues Asylverfahren herbeischaffen. Wenn aber die FPÖ Innenministerin Johanna Mikl-Leitner applaudiert, weil diese Vertreter von NGOs aus dem Rechtsberatungsverfahren „ausschließen“ will, dann sollten die Alarmglocken läuten. Das klingt nach Hinterhalt, wenn Beamte des Innenministeriums bei Bescheiden des Innenministeriums „beraten“ sollen.
Verwirrung der Begriffe, Generalverdacht gegen Asylwerber und eine gewisse Ausländerfeindlichkeit auch der Bürokratie aus parteipolitischen oder populistischen Gründen: Viel haben wir in 20 Jahren nicht dazu gelernt.
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