Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung keine Priorität des Innenministers! Schutz der Verfassung und Bekämpfung von Terrorismus ganz unten auf der Liste vielleicht Rang 25! Antworten im Nationalrat bei einer Dringlichen Anfrage nicht korrekt, weil von Mitarbeitern verfasst und vom zuständigen Minister nicht geprüft. Ein Innenminister, der ausreichendes Wissen über die Aktivitäten seiner Mitarbeiter für „realitätsfremd“ hält. Ein Minister, der „so wie so die Verantwortung übernimmt“, sich aber nur für die „politische Arbeit“ des Ministeriums zuständig fühlt, die „Verwaltung“ seinen Mitarbeitern überlässt. Eine Bundesverfassung, die im Art. 77 festhält, dass „zur Besorgung der Geschäfte der Bundesverwaltung“ die Bundesministerien berufen sind. Verwaltung ist das Stichwort, nicht „politische“ Arbeit.

Eigentlich unerklärlich, dass am Dienstag bei der Aussage von Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) im Untersuchungsausschuss zur Affäre um das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) nicht wiederholt ein Raunen durch den Saal ging. Kickl gab an, er habe bei Ausbruch der Affäre anderes zu tun gehabt: Er musst sich einen Schreibtisch organisieren, ein Telefon etc. Die ganze Sache sei für ihn ein Nebenaspekt gewesen.

Die Affäre im Schnelldurchlauf: Generalsekretär Peter Goldgruber erhält von Rechtsanwalt Gabriel Lansky ein Konvolut mit Vorwürfen an verschiedene Mitarbeiter des BVT und von Kickl den Auftrag, sie zu überprüfen. Goldgruber geht zur Staatsanwaltschaft, der Leiter des BVT, Peter Gridling, wird suspendiert. Zeugen werden von Mitarbeitern des Innenministeriums zur Staatsanwaltschaft begleitet. Eine Razzia wird angeordnet. Die herbeigeholte, nicht zuständige, Polizeitruppe steht unter der Führung eines FPÖ-Gemeinderats. Später wird sowohl die Suspendierung des BVT-Chefs aufgehoben, als auch die Razzia als rechtswidrig erkannt.

Nach eigenen Angaben fühlte sich Kickl über die Vorgänge zwar ausreichend informiert, zu tun wollte er mit all dem aber nichts gehabt haben. Ausreichend informiert war er jedenfalls nicht, als er eine Zeugin in dem Verfahren in den Räumen der FPÖ in der Wiener Reichsratstrasse zu einem Gespräch getroffen hat. Er habe nicht gewusst, dass sie eine Zeugin in dem Verfahren sei.

Seine Antworten an das Parlament in den letzten Monaten erwiesen sich als fehlerhaft. Kickl dazu: „Es ist realitätsfremd zu glauben, dass ich jede Anfrage selbst beantworte und Inhalte genau überprüfe.“ Von den engen Kontakten des Generalsekretärs und seines Mitarbeiters Udo Lett zur Staatsanwaltschaft habe er nichts gewusst: „Ich habe Goldgruber nicht zur Staatsanwaltschaft geschickt“. Ob Goldgruber vom BVT tatsächlich das Ausmaß der verdeckten Ermittlung und die Namen verdeckter Ermittler wissen wollte? Keine Ahnung. Er wisse davon nichts. Er war nicht bei den Gesprächen dabei. Dass der Kommandant der Einsatztruppe bei der Razzia FPÖ-Gemeinderat ist? Keine Ahnung. Ob er über seine Mitarbeiter Bescheid wisse? Das sei „realitätsfremd“. Realitätsfremd sei auch, dass er alle Dokumente „abspeichert“.

Die Zustände im BVT habe er „geerbt“ – von einer Reihe von Innenministern der ÖVP. Überhaupt habe er bei seinem Einzug in das Innenministerium zu Jahreswechsel 2017/ 2018 „niemanden gekannt“. Goldgruber zum Zeitpunkt der BVT Affäre auch erst zehn Wochen.

Immer wieder fielen im Untersuchungsausschuss und dann im Interview mit Armin Wolf in der ZIB 2 des ORF die Sätze: Nicht meine Zuständigkeit, nicht meine Verantwortung – obwohl ja: Natürlich sei der Minister verantwortlich – er könne ja davon ausgehen, dass alle seine Mitarbeiter sich „rechtskonform“ verhalten.

Erstaunlich auch, dass manche Kommentatoren fanden, der Auftritt Kickls und seine Rechtfertigungen hätten keine „Überraschungen“ gebracht. Das kann sich nur darauf beziehen, dass Kickl bei seiner bisherigen Linie, er habe von den Aktivitäten Goldgrubers und andere Mitarbeiter wenig bis nichts gewusst, geblieben ist; dass er den Vorwurf von Peter Pilz (neuerdings von der Jetzt-Partei) des „Amtsmissbrauchs“ vehement zurück gewiesen hat. Was sonst?

In der Gesamtschau waren die Aussagen Kickls aber durchaus überraschend: In der Erinnerung hat es bisher noch nie ein Regierungsmitglied gegeben, das die Schuld an fragwürdigen Vorgängen wie etwa der falschen oder fehlerhaften Beantwortung einer Dringlichen Anfrage seinen Mitarbeitern zugeschoben hat, ohne auch nur andeutungsweise Fehler einzugestehen; dem offensichtlich der Widerspruch, er sei zwar ausreichend informiert worden, habe aber eigentlich von nichts gewusst, nicht bewusst war; der eine so wichtige Materie wie Staatsschutz und Terrorismusbekämpfung zu der nebensächlichsten Angelegenheit seines, für den Schutz des Landes zuständigen, Ministeriums herabgestuft hat; der etwaiges Fehlverhalten einem anderen Ministerium, in diesem Fall dem Justizministerium, zugeschoben hat; der sich nur für die politische Arbeit, nicht aber für die Verwaltung durch sein Ressort zuständig fühlt; der auf alle Fragen, wie es denn sein könne, dass die oberste Polizistin des Landes erst nachträglich von einer Razzia im BVT, für das sie zuständig ist, erfahren habe, das müsse man die betreffende Person fragen. Anderes die Staatsanwälte. Wieder anderes seinen Generalsekretär.

Kickl hat recht: Seit seinen Aussagen am Dienstag sind alle Verschwörungstheorien rund um die tatsächliche oder inszenierte Affäre im BVT, um die Suche nach dem Wissensstand der Verfassungsschützer über extreme – rechts oder linke – Kreise, um die angebliche Entfernung unliebsamer Beamter, um „aufräumen“ im Innenministerium, lächerlich. Allerdings nicht so wie der FPÖ-Politiker dies meint.

Lächerlich im Vergleich zu der Erkenntnis wie dilettantisch im Innenministerium gearbeitet wird: Man will sich nicht vorstellen, welches Risiko dies in einem Ernstfall darstellen würde.

Überraschend daher, dass das nicht zu einem Aufschrei führt: Hilfe, nur keine Krise!

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