Hinter ihm die Sintflut

Auffälliger hätte die Banalität des politischen Geschehens in Österreich nicht sein können: An dem Tag, an dem die Welt am Dienstag durch den Abschuss eines russischen Kampfjets durch die Türkei einer militärischen Konfrontation zwischen Nato und Russland wieder ein Stück näher gerückt ist,konzentrierte sich das innenpolitische Interesse auf die Frage, warum Michael Häupl bei der Wahl zu Wiens Bürgermeister 52 statt 54 Stimmen erhalten hat.

Geht’s noch belangloser? Selbst wenn man geneigt sein sollte, der Neuauflage der rot-grünen Stadtregierung in Wien und deren Bürgermeister irgendeine Art von Relevanz zuzugestehen, ist die laut „Presse“ „turbulente Inthronisierung“ die Aufregung nicht wert. Wirklich beunruhigend an der Entwicklung in der Bundeshauptstadt seit der Gemeinderatswahl im Oktober sind andere Themen.

1.     Der Wortbruch Häupls: In der Wahlnacht hatte er noch angesichts des Verlustes der SPÖ von über fünf Prozentpunkten erklärt, das Ergebnis sein „ein Auftrag, nicht so weiter zu machen wie bisher“. Genau das tut er aber mit dem Koalitionspakt mit den Grünen und der nahezu unveränderten Fortsetzung des Bisherigen.

2.     Häupls Credo „Hinter mir die Sintflut“: Anders ist es nicht zu erklären, dass weder von der SPÖ noch vom Koalitionsübereinkommen irgendein Signal zu Veränderung ausgeht.  Das kann sich nach den Verlusten im Oktober nur ein Politiker leisten, dem die Konsequenzen dieses Verhaltens in fünf Jahren völlig gleichgültig sind; der jetzt einfach seine Ruhe haben möchte und die politisch-psychologische Anstrengung scheut, einen Schritt aus der bisherigen Komfortzone zu machen.

3.     Häupls gefährliche Drohung: In einem Interview mit einem Medium, für das allerdings der Wahrheitsvorbehalt gilt, soll Häupl vor einigen Tagen eine neuerliche Kandidatur 2020 nicht ausgeschlossen haben. Wenn dem tatsächlich so wäre, dann ist sein jetziges Verhalten der Fortsetzung des Gleichen wie seit 2010 geradezu fahrlässig, weil es nicht signalisiert, dass er oder die SPÖ seit der Wahlschlappe irgendetwas in Bezug auf Wirtschaftsentwicklung, horrend hohe Arbeitslosenrate, Schuldenentwicklung, Integration etc verstanden haben.

4.     Selbstbetrug der SPÖ: Wie zu befürchten war, glauben die Funktionäre in der Blase der Wiener Spitzenpolitik und auf der mittleren Ebene, die sogenannten Pappschichtgenossen alos, doch tatsächlich, die Oktober-Wahl sei ein Sieg und der Beweis für ihre gute Politik gewesen. Das erinnert sehr stark an Häupls Vorgänger Helmut Zilk, der einmal in der – für damalige Verhältnisse überraschend niedrigen Wahlbeteiligung in Wien – den Beweis für die Zufriedenheit der Wiener mit ihm und der SPÖ gesehen hat. Dieses Talent, sich in die eigene Tasche zu lügen, hat bisher nur dazu gereicht, den Stimmenanteil der Partei auf unter 40 Prozent zu drücken. Wer dies für ein Erfolgsrezept hält, nur weil die FPÖ doch nicht auf Platz 1 gelandet ist, der nimmt die Welt rund um sich mit dem starren Blick auf den eigenen Sessel eben nicht wahr.

5.     Häupls Versäumnis: Er hat in der Oktober-Wahl innerparteilich und auch den Grünen gegenüber enormes politisches Kapital gewonnen, eben weil er als One-Man-Show die Freiheitlichen auf Distanz gehalten hat. Dieses Kapital hat er jetzt nicht für einen Neustart in Wien eingesetzt. Er hätte es können und müssen. Statt dessen bekamen die Wiener ab der Verkündigung des Regierungsübereinkommens die alte Politik und die alten Verhaltensmuster vorgesetzt: Sticheleien, Differenzen, Postenschacher.

Kann sein, dass seine Energie, seine Kraft und sein politischer Wille gerade noch ausreicht, um in der Flüchtlingsfrage Haltung zu zeigen, wofür ihm uneingeschränkt Anerkennung zu zollen ist, aber eben nicht für mehr.

Wie würde Häupl darauf reagieren: „Net deppert reden“ – wahrscheinlich.

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Spinnchen

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fischundfleisch

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