Wann hat Österreich seit der Neuauflage der rot-schwarzen Koalition 2006 zum letzten Mal durch Haltung und Tat den Respekt der internationalen Gemeinschaft verdient? Schirennen zählen nicht! Wer immer meinem Gedächtnis auf die Sprünge helfen will, ist hier willkommen.
In der Zwischenzeit sei festgehalten: So viel internationale Aufmerksamkeit wie in den letzten Tagen und Wochen seit dem Beschluss der Obergrenze von 37.500 Asylberechtigten pro Jahr alias Richtwert und der Verlegung der dazugehörigen Richtschnur alias Grenzzaun im Süden der Republik hat Österreich schon lange nicht bekommen.
Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel empfängt den österreichischen Vizekanzler Reinhold Mitterlehner, aber sie will nicht mit ihm gesehen werden, schon gar nicht bei einer gemeinsamen Pressekonferenz.
CNN-Starjournalistin Christian Amanpour bittet Innenministerin Johanna Mikl-Leitner zum Interview vor die Kamera, aber der Zuseher erfährt nicht exakt, was sie sagt. Lost in translation.
Außenminister Sebastian Kurz redet die anderen im ARD-Talk bei Anne Will nieder und die deutschen Medien lieben seine Eloquenz.
Am österreichischen Boulevard glaubt man sogar schon die Führungsrolle Österreichs in der Flüchtlingsfrage in der EU zu erkennen.
Wenn da nur nicht diese schrecklichen Bilder vom Flüchtlingslager an der Grenze Griechenland-Mazedonien wären.
Zuletzt hat Österreich so viel Beachtung vor der Bildung der schwarz-blauen Koalition 2000 erhalten. Nun gut, mehr noch. Der Ballhausplatz war damals voll von Übertragungswägen ausländischer Fernsehstationen. So weit sind wir dieses Mal nicht gekommen.
Interessant sind aber gewisse Ähnlichkeiten, in denen man auch ein Muster österreichischer Politikpraxis erkennen kann, dennoch: Wie sich später nämlich herausstellen sollte, war der Grund für die Verärgerung der EU-Partnerstaaten nicht so sehr die schwarz-blaue Koalition an sich, sondern die Tatsache, dass ihnen in den Wochen und Monaten zuvor stets das Gegenteil signalisiert worden ist. Also die Art und Weise der Durchführung haben die EU-Sanktionen provoziert, an denen sich dann das nationale Überwertigkeitsgefühl hochranken konnte. Das hat zumindest der ehemalige finnische Ministerpräsident Martti Ahtisaari in einem Gespräch durchklingen lassen. Er hatte mit einem Weisenrat dann die Aufhebung der Sanktionen erreicht.
Auch jetzt geht es um die Art und Weise. Nicht die Westbalkan-Konferenz an sich brachte Österreichs Außenpolitik und die beiden ÖVP-Minister, Johann Mikl-Leitner und Sebastian Kurz, in Europa in Verruf, sondern die Durchführung per Affront gegen Deutschland und Griechenland, und das Timing. Desgleichen bei Bundeskanzler Werner Faymann, dessen Rhetorik in der Flüchtlingsfrage nicht mehr wieder zu erkennen ist. Konnte er sich vor Wochen Angela Merkel noch gar nicht genug nahe fühlen und mit ihr eine europäische Lösung trommeln, so kann er jetzt nicht oft genug Kritik anbringen und nationale Maßnahmen preisen – ansatzlos, ohne sich je die Mühe zu machen, die Gründe für seine radikale Haltungsänderung zu kommunizieren.
Die zweite Ähnlichkeit, die uns zu denken geben soll: Wir sind immer wer, wenn wir gegen wen sind. 2000 waren es alle anderen EU-Partner, jetzt ist es Griechenland, Deutschland, die EU-Kommission.
Alles und jeder wird beklatscht und am Boulevard angespornt und angetrieben, was und wer eine Stärke markiert, die das Land gar nicht hat. Denn nichts lieben die Österreicher so sehr wie internationale Aufmerksamkeit, die in nationale Großartigkeit uminterpretiert werden kann.
Man erinnere sich nur an die Schlagzeile der siebziger Jahre: „Kreisky liest der Welt die Leviten“. Bruno Kreisky, der von den Wählern damals geliebte.
Wir sollten uns fragen, warum wir das auf diese Art und Weise notwendig haben.
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