Ich bin’s, Euer Präsident!

Es kann sein, dass Bundespräsident Alexander Van der Bellen seine erste Ansprache zum Staatsfeiertag am 26. Oktober nicht erwarten konnte und deshalb am Dienstag Journalisten und TV-Kameras in die Wiener Hofburg gebeten hatte. Es kann auch sein, dass er den Staatsfeiertag am 26. Oktober nicht so hoch einschätzt wie den Wahltag am 15. Oktober. Immerhin gilt ihm dieser, wie er sagte, als „höchster Feiertag der Demokratie“.

Mag sein. Nur hängt der eine vom anderen Feiertag ab. Denn ohne Staatsvertrag, keine Demokratie in Österreich. Aber man sollte nicht kleinlich sein. Es kann nämlich auch sein, dass Van der Bellen sich einfach ein Beispiel an Deutschlands Bundespräsidenten Frank Walter Steinmeier genommen hat. Immerhin hat dieser letzte Woche ganz ähnliche Worte gefunden, allerdings zwei Wochen vor der Bundestagswahl und nicht fünf Wochen. Wir wollen uns nicht mit der Frage aufhalten, ob die Deutschen ein kürzeres Gedächtnis oder wir Österreicher langsamer von Begriff sind.

Jedenfalls hatte Steinmeier für seinen Aufruf zur Stimmabgabe und zur Verteidigung der Demokratie („Sie kann auch verloren gehen“) das „Bürgerfest“ im Park seines Amtsitzes, dem Schloss Bellevue, gewählt und nicht die Zeremonienumgebung innen wie Van der Bellen in der Hofburg. Jedenfalls hat Steinmeier ganz allgemein davor gewarnt, Demokratie für selbstverständlich zu halten ( „Demokratie ist nicht vom Himmel gefallen, sie ist über Generationen erkämpft worden“) und nicht wie Van der Bellen eine „Erklärung zum Wahlkampf“ abgegeben.

Wie auch immer, die eine Ermahnung ist so traurig wie die andere. Warum? Weil eben 72 bzw. 62 Jahre nach einem demokratischen Neustart in beiden Ländern diese beiden Weckrufe in Sachen Demokratie doch einigermaßen nachdenklich stimmen müssen. Erfordert es wirklich noch immer präsidialer Wort, um sich des Werts einer liberalen Demokratie bewusst zu werden? Offenbar! Und das ist auch irgendwie einsichtig, fantasieren doch immer mehr politische Gruppen in Europa von einer „illiberale Demokratie“ wie sie Wladimir Putin für Russland reklamiert und Viktor Orban ganz offen für Ungarn angekündigt hat.

Natürlich haben die beiden Präsidenten Recht. Natürlich lässt sich keiner ihrer Aussagen irgendetwas entgegenhalten. Ja, die Demokratie kann auch verloren gehen. Man muss sich nur auch in Europa umsehen. Ja, selbstverständlich muss sie verteidigt werden.

Wer könnte Van der Bellen entgegensetzen, dass „Quartalsdenken“ in der Wirtschaft allemal besser sei als Nachhaltigkeit? Dass in der Politik „Wegwerfdenken“ sehr wohl angebracht sei? Dass Demokratie nur mit Eigennutz und Egoismus zu erhalten sei und es keine Rolle spielen werde, ob nach dem 15. Oktober keine der Parteien mit einer anderen ins Gespräch kommt. Dass man überhaupt nicht an die nächsten Generationen denken und nur den eigenen Vorteil hier und jetzt im Augen haben soll. Er hat auch Recht, dass uns die Migration noch lange beschäftigen wird und die Probleme nicht mit „kurzfristigen, reflexhaften Maßnahmen“ zu lösen sind. Das Gegenteil wird wohl niemand behaupten können/wollen.

Alles, was Van der Bellen sagte, kann unwidersprochen bleiben. Allein, was soll’s? Dass es offenbar notwendig ist, dem Wahlvolk all diese Selbstverständlichkeiten in Erinnerung zu rufen, sagt mehr über dieses als den Präsidenten aus.

Die einzige Antwort, die Wähler konkret interessieren könnte, blieb Van der Bellen schuldig: Ja, ich werde eine Regierung mit FPÖ-Beteilung angeloben. Nein, ich werde keinen Vizekanzler Heinz Christian Strache akzeptieren. Zugegeben, da konnte Steinmeier kein Vorbild sein. Er hat dieses Problem (AFD) nach dem 23. September nicht. Noch nicht? Unter dem Motto „Ich bin’s, Euer Präsident, verschafften sich also zwei besorgte an der Staatsspitze Männer vor einer Wahlentscheidung auf diese Art Gehör, um der Bevölkerung den Wert der Demokratie in Erinnerung zu rufen. Traurig genug – da wie dort.

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Fischler

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