Ist da jemand – im Integrationsministerium?

Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) ist ein gefragter Mann. Bereitwillig erklärt er dieser Tage den Österreichern die Welt, verteilt Zensuren an andere Staaten, kritisiert den europäischen Rat, konterkariert die Flüchtlingspolitik der Regierung und belehrt den Flüchtlingskoordinator Christian Konrad (ohne Namensnennung natürlich, er wird es sich doch nicht mit dem nach wie vor mächtigen Mann anlegen), dass Österreich bereits „massiv überfordert“ ist, während für Konrad das „Boot noch nicht voll“ ist.

Wie gesagt, Kurz ist ein gefragter Mann. Er weiß, was an den EU-Außengrenzen zu leisten ist – von anderen Staaten.  Er will seit Monaten vor der jetzigen Situation gewarnt haben. Er ist für den „Zaun“ von Innenministerin Johanna Mikl-Leitner an der Grenze zu Slowenien etc. Er redet und redet und redet. Eine von der gesamten Regierung getragene konsistente Außenpolitik ist dennoch nicht erkennbar.

Wenn man Kurz, dem neuen Welterklärer, so zuhört, schießen einem zwei Fragen durch den Kopf: Wenn er seit Monaten gewarnt hat, warum hat ihn dann niemand zugehört? Wenn er weiß, was jetzt zu tun ist, warum hat er nicht innerhalb der Regierung darauf gedrängt? Warum hat er nicht, Hand in Hand mit Mikl-Leitner vielleicht, schon vor spätestens sechs Wochen auf die „technischen Maßnahmen“ in Spielfeld gedrängt. Denn damals wusste man nach den Ereignissen in Ungarn bereits, dass sich der Flüchtlingsstrom neue Wege suchen wird.

Zwei Fragen gefolgt von einer dritten, der wichtigsten: Statt überall seine Meinung zu Syrien, den Großmächten und zu dem, was andere in der jetzigen Situation zu tun haben, abzusondern, könnte Sebastian Kurz einmal erklären, was er zur Integration der Asylwerber in Österreich als Integrationsminister zu tun gedenkt. Dazu war von ihm in den letzten Tagen und Wochen nichts zu vernehmen.

Es gäbe da ein ganz konkretes Beispiel, zu dem er bis jetzt seine Meinung nicht über der öffentlichen Wahrnehmungsgrenze kundgetan hat und bei dem er die Regierung und/oder die ÖVP zu einer Gesetzesänderung drängen sollte. Es geht um den Unterricht von Flüchtlingen an steirischen Polytechnischen Schulen. Hat er davon schon gehört?

Ab 1. Dezember dürfen Flüchtlinge, die nicht mehr schulpflichtig sind, nicht mehr an diesen Schulen unterrichtet werden. So das Gesetz.

An diesen Schulen in der Steiermark wurden seit langem minderjährige unbegleitete Schüler, älter als 15 Jahre, als außerordentliche Schüler geführt. Laut einem Erlass aus 2003 darf es diese Schüler überhaupt nicht geben.

Jetzt 12 Jahre später will das Unterrichtsministerium plötzlich bemerkt haben, dass hier ein Regelverstoß vorliegt. Daher wurde am 22. Oktober diese Praxis in einem weiteren Erlass abgestellt. Das Timing muss man sich einmal vorstellen.

Ausgerechnet jetzt, da die wichtigste Aufgabe die Integration vor allem von Jugendlichen ist. Da werden in vier Wochen junge Flüchtlinge von der Schule gewiesen. Sorry, wir haben erst jetzt bemerkt, dass das so nicht geht. Man kann sich die Reaktion der Jungen, die auf diese Art vor die Tür gesetzt werden, leicht vorstellen – selbst wenn, wie es heißt, „alternative Möglichkeiten“ gesucht werden. Viel Vergnügen bei der Erklärung der Sinnhaftigkeit dieses Schritts und der Tiefen der österreichischen Bürokratie.

Ausgerechnet jetzt, diesen jungen Menschen vor Augen zu führen, dass sie – aus welchen rechtlichen Gründen immer – nicht willkommen sind, das muss einem erst einmal einfallen. Und später wird man sich vielleicht über die Radikalisierung des einen oder anderen wundern.

Die mit der Schulkoodinierung beauftrage ehemalige Volksanwältin der Grünen, Terezija Stoisits hat auch keine andere Reaktion parat als „Gesetz ist Gesetz“.

Das trifft zu. Der Rechtsstaat ist unter allen Umständen zu schützen. Nur Gesetze kann man ändern – und vor allem in einer Ausnahmesituation wie dieser und in einer (wohl kaum staatsgefährdenden) Materie wie das Schulorganisationsgesetz.

Hat Kurz mit Unterrichtsministerin Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ) verhandelt? Hat er sich mit Stoisits besprochen? Bereitet er einen Ministerratsvortrag als Integrationsminister vor?

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