Erst dachte man, es handle sich um Meldungen der satirischen Plattform „Tagespresse“. Was da nämlich verbreitet wurde, konnte einfach nicht ernst gemeint sein – selbst wenn es Aussagen von Norbert Hofer, FPÖ-Präsidentenkandidat, und Harald Vilimsky, EU-Abgeordneter der FPÖ, betraf. So plump kann doch niemand, der intellektuell nicht herausgefordert ist, Angriffe auf die Grundprinzipien der Demokratie in Österreich starten. Oh, doch: Die beiden FPÖ-Politiker, einer sogar Präsident des Nationalrats, können – mit freundlicher Unterstützung des FPÖ-Chefs.

Es ist also keineswegs Zufall, dass Norbert Hofer an einem Tag den „Verzicht auf die Briefwahl“ bei der verschobenen Wahlwiederholung im Dezember (oder wann immer) verlangt; und Harald Vilimsky, am anderen Tag Menschen mit Behinderung das Wahlrecht aberkennen möchte. Die öffentliche Empörung blieb allerdings aus.

Und das ist gespenstisch. Könnte wirklich jemand wie Hofer Bundespräsident werden, der eine Niederlage per Briefwahl wie am 22. Mai einfach nicht verwinden kann und deshalb in einem Atemzug eine Wahlmöglichkeit abschaffen und das Urteil des Verfassungsgerichtshofs zerreißen möchte. Denn in diesem Urteil steht nicht nur ausdrücklich, dass die Briefwahl verfassungskonform ist, sondern – in diesem Zusammenhang viel wichtiger – dass die Wahlwiederholung unter den exakt gleichen Bedingungen wie die Stichwahl stattzufinden hat. Wer also wie Hofer und Strache einen „Verzicht“ auf die Briefwahl verlangt, missachtet das Höchstgericht. Welche Logik das hat, wenn Hofer erst durch den Spruch dieses Höchstgerichts eine zweite Chance bekommen hat, mag jeder für sich selbst entscheiden.

Für das Ansinnen Hofers gilt: Man merkt die Absicht (Sieg ohne Wahlkarten) und ist ob dessen Plumpheit nicht einmal verstimmt. Das Ansinnen Vilimskys allerdings zeigt, durch welche gefährlichen Gedankengänge man in der FPÖ lauft: Menschen, die aufgrund ihrer Behinderung oft „nicht einmal wissen, wie sie heißen“ ,sollte das Wahlrecht entzogen werden. Was ist dann, wenn ein Betrunkener das Wahllokal betrifft, der auch nicht einmal mehr weiß, wie er heißt? Oder jemand unter Drogen. Wird ihm dann auch das Wahlrecht entzogen?

Vilimsky meint, ein Richter sollte entscheiden „wer ausreichend in der Lage ist, an der Wahl teilzunehmen.“ Dann müsste in jedem Wahllokal ein Richter sein, denn es könnten Menschen dorthin kommen, die aufgrund welcher Um- und Zustände immer „nicht ausreichend in der Lage sind“.

Die FPÖ hat offenbar keine wirklich gute Meinung von und kein Vertrauen in ihre Wähler. Sind sie zu einfältig, zu unverlässlich? Offenbar, denn freiwillig setzt sich die FPÖ nun dem Verdacht aus, das wichtigste Recht in einer Demokratie, das Wahlrecht, aushöhlen zu wollen. Heute ist es die Briefwahl, morgen der Verzicht auf das allgemeine Wahlrecht und die Einführung von Kriterien wie ein ausreichender Intelligenzquotient etc. Richter sollen entscheiden – Richter, die man, wenn es gerade passt, wieder verhöhnen kann. Heute werden Behinderte ausgeschlossen, morgen Radfahrer, übermorgen – wer?

Es muss nicht auf jeden Unsinn aus der FPÖ reagiert werden, aber dieser ist wirklich gefährlich, weil er - in dieser Offenheit vielleicht gar nicht beabsichtigt – eine Geisteshaltung aufzeigt, die wirklich Angst macht. Kann sein, dass das der FPÖ „passiert“ ist, dass sie diese Transparenz der Absicht gar nicht wollte. Deshalb muss man umso aufmerksamer und hellhöriger sein, was in dem kommenden Wahlkampf bis Dezember noch so alles an die Öffentlichkeit dringt.

Diese Verachtung für das allgemeine, geheime und gleiche Wahlrecht können wir uns nämlich nicht leisten. Oder wollen Sie, dass man Sie morgen für „nicht ausreichend in der Lage“ erklärt, wählen zu gehen?

ORF/ Screenshot (Foto links); Franz Johann Morgenbesser (Foto rechts) https://www.flickr.com/photos/vipevents/14098679623 / wiki commons – https://de.wikipedia.org/wiki/Harald_Vilimsky#/media/File:Harald_Vilimsky_2014.jpg

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