Kein österreichischer Politiker reagierte so schnell auf den Ausgang der Präsidentenwahl in Frankreich am Sonntag wie Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) – mit Ausnahme von Othmar Karas vielleicht. Kurz aber wusste via Twitter sofort, dass „linke Politik klar abgewählt wurde“ und Frankreich nun umfassende Reformen angehen muss.
Wenn er schon weiß, was Emmanuel Macron zu tun hat, dann wäre es vielleicht auch an der Zeit zu wissen, was in Österreich zu geschehen hat. Und dazu gehört sicher nicht, dass sich von jetzt bis zur nächsten Nationalratswahl – wann immer- im Stundentakt die SPÖ, die ÖVP, die Medien und wen immer es sonst noch interessiert, fragen, was Kurz eigentlich will, vorhat oder plant – oder auch nicht. Wie kommt das Land dazu? Soll das jetzt Monate so weiter gehen?
Die jüngsten Nachrichten aus dem Lager des jüngsten Ministers: Nein, er wolle die ÖVP nicht übernehmen; nein, nicht in diesem Zustand; nein, wenn er kein Durchgriffsrecht und Personalhoheit hat; nein, wenn er Bünde und Länder nicht entmachten kann; nein, wenn er die Partei nicht öffnen kann – in welcher Richtung immer ist nicht bekannt. Kurz sollte sich mit Josef Taus unterhalten, der mit ganz ähnlichen Plänen 1979 gescheitert war. Und darauf hin zurückgetreten ist.
Das wäre eine Möglichkeit. Kurz hat selbst das beste Argument dafür Sonntag Abend im ZIB 2 Interview geliefert: „Wenn sich die etablierten Parteien nicht ändern, werden sie abgestraft.“ Na eben. Wenn er weiß, warum Macron, der Linksliberale, dessen „linke Politik“ abgewählt wurde, überhaupt gewonnen hat, dann kann er sich ein Beispiel nehmen. Kurz: Macron habe nur gewonnen, weil er zuvor die Sozialistische Partei verlassen hat.
Na dann, raus aus der ÖVP: Wenn Kurz seiner Strahlkraft so sicher ist wie Teile der ÖVP Glauben machen wollen, dann kann er als Außenminister jetzt zurücktreten und auch gleich die ÖVP verlassen. Dann ist er frei, seine Gefolgschaft in der ÖVP nach deren Parteiaustritt und andere Sympathisanten um sich zu scharen, zu einer Bewegung zu formen etwa mit dem Namen „Ohne Partei (bin ich) Alles“ (OPA), wobei er mit dem Kürzel auch gleich die Älteren ansprechen könnte. Sein Wirtschafts-, Bildungs-, Staatsreform- und Pensionspapier hat er sicher schon parat.
Selbst wenn der nächste Wahltermin diesen Herbst sein sollte, bliebe ihm noch genügend Zeit. An seinem Bekanntheitsgrad muss er ja nicht arbeiten, an seiner Popularität auch nicht, vielleicht an konkreter Politik, aber das kann in Österreich für geniale Politiker kein Problem sein. Über die Kampagne hat sich seine Gefolgschaft sicher auch schon Gedanken gemacht – und wäre startklar, wäre da nicht der lästige ÖVP-Chef Reinhold Mitterlehner. Genügend Fotos mit internationalen Größen sind sicher auch schon gesammelt worden.
Was also hält Außenminister Kurz davon ab, dem Land dieses lächerliche tägliche „Halb zogen sie ihn, halb sank er hin“ – in die Spitzenkandidatur und Parteiführung der ÖVP – zu ersparen? Es kann ja wohl nicht sein, dass er nicht mutig genug ist; dass er immer nur weiß, was andere zu tun haben oder tun sollten – international wie in Österreich.
Kann es sein, dass er sich ohne Organisation, Parteiapparat der ÖVP, seinen Adoranten aus der Jungen Volkspartei etc. nicht zutraut, bei einer Wahl so großartig abzuschneiden wie er jetzt der Alt-ÖVP Glauben macht? Kann es sein, dass alle, die ihn jetzt drängen, nicht ohne Schutz der ÖVP auskommen wollen, weil es dann weniger Posten zu besetzen und Karrieren zu schmieden gilt?
Was immer es ist, eines ist jedenfalls armselig: Der Versuch, die ÖVP von innen her durch tägliche Intrigen so lange zu irritieren, bis ihre Spitzenleute erschöpft aufgeben. Wenn er und seine Bewunderer die ÖVP ruinieren wollen, dann sollten sie es wenigstens mit einem mutigen Schritt tun. Haben alle dort schon vergessen, dass Michael Spindelegger erst vor drei Jahren den Vorsitz wegen genau solcher Hinterhältigkeit in der Partei von einem Tag auf den anderen hingeschmissen hat? Und jetzt auch Reinhold Mitterlehner.
Dann könnte – so oder so, mit der ÖVP oder mit einer neuen Gruppe – der als Retter der ÖVP angepriesene Kurz der Totengräber der Partei werden. Dann ist das „Trumpf-Ass“ (© Steiermarks Hermann Schützenhöfer) schnell ein „Bub“ geworden.
ÖVP Fotograf