Nun ist es also fix: Gegen Karl Heinz Grasser, ehemaliger Finanzminister und Schwiegersohn der Nation unter Schwarz-Blau von 2000 bis 2006, wird in Sachen Buwog-Verkauf und Terminal Tower Anklage erhoben. Es ist nicht das einzig Sonderbare in der ganzen Causa, aber vorläufig das letzte: Noch bevor die Anklage offiziell ist, darf Grassers Verteidiger Manfred Ainedter in der ZIB 2 seine Sicht der Dinge zugunsten seines Mandanten darlegen.
Wie auch immer, es ist nur zu hoffen, dass die Anklage „wasserdicht“ ist. Denn nach sieben Jahren Erhebungen wäre der Ruf der Justiz weiter ramponiert, sollte „die Suppe zu dünn“ sein.
Wer den Untersuchungsauschuss 2012 zur Privatisierung der Bundeswohnungen verfolgt hat, konnte sich des Eindrucks nicht erwehren, dass es dabei nicht so „supersauber“ zugegangen sein kann, ein Wort, das Grasser einmal verwendet hat. Zehn Millionen Euro für einen Insider-Tip, überwiesen von der Immofinanz nach Zypern? Das Konkurrenzangebot mit einer Million überboten und den Zuschlag bekommen? Beim Terminal Tower geht es um die Einmietung der Finanz in ein Linzer Bürogebäude während Grassers Amtszeit. Auch dort sollen Gelder geflossen sein. So ein Zufall aber auch.
Ainedter mag schon recht haben, wenn er von einer „medialen Vorverurteilung“ spricht. Er hat aber nicht recht, wenn er sie in einem „noch nie da gewesenen Ausmaß“ sieht. Wie war das mit dem Bawag-Prozeß? So kurz muss nicht einmal das Gedächtnis eines Anwalts sein. Ainedter kennt sicher auch die Gründe für das mediale Interesse an den Korruptionsvorwürfen.
Ein ehemaliger Finanzminister, der die Öffentlichkeit Glauben machen will, seine Schwiegermutter wollte seine Anlagetalente testen und habe ihm deshalb einen Koffer mit 500.000 Euro in bar übergeben; der zudem zu seiner Verteidigung vorbringt, er sei in „steuerlichen Angelegenheiten eben unbelegt“ – ein solcher Ex-Finanzminister darf sich über Medieninteresse nicht wundern. Immer wieder schwebte die Frage im Raum: Wen will er hier für dumm verkaufen? Steuerzahler werden sich gefoppt fühlen, wenn er sich zwar als Finanzminister in ihren Angelegenheiten ausgekannt hat, in den eigenen aber offenbar so wenig, dass er „Opfer“ der Steuerberatung gewesen sei. Auch all jene, die bei Meinl International Power Geld verloren haben, während Grasser dafür Millionen einstreifte, werden sich in ihrer Sicht der Dinge durch derartige Ausreden bestärkt fühlen. Ergo das Medieninteresse. Das kann doch nicht so schwer zu verstehen sein.
Mag schon sein, dass Grasser sich subjektiv vollkommen unschuldig fühlt. Für jemanden, der „so reich, so schön, so intelligent“ ist (Grasser im TV: Ich über mich, gewissermaßen) gelten eben die kleinlichen Buchstaben des Gesetzes nicht und kleinkarierte Regeln des Anstands in der Politik sind für ihn außer Kraft gesetzt. Was für „normale“ Menschen gilt, ist für öffentliche Menschen ab einem gewissen Level der Popularität unerheblich. Dieses Phänomen kann man immer wieder beobachten und es trifft auf manche Politiker aller Länder zu.
Mit einem Schuss Ironie hätte man Karl Heinz Grasser tatsächlich als „Opfer“ sehen können– als Opfer seiner jahrelang devoten Umgebung. Dort haben sicher nicht wenige dem jungen Finanzminister eingeredet, er sei so schön und so intelligent. Die Bewunderer wetteifern im Speichellecken aus ganz egoistischen Gründen: Sie erhoffen sich von dem solcherart „Gepriesenen“ nicht nur Vergünstigungen, sondern auch Karrieresprünge. Wenn jemand so jung und so populär wie Grasser ist, würde er kritische Korrektive benötigen – Mitarbeiter, Freunde, die ihn auf den Boden der Realität holen und klarmachen, dass man als Politiker eben nicht auf die „Optik pfeift“ und gewisse Sachen einfach nicht macht.
Hätte man. Aber erst vor kurzem wurde im Hypo-Untersuchungsausschuss wieder klar, dass Grasser es einfach nicht lassen oder nicht verstehen kann: Die Arroganz seines Auftritts war kaum zu überbieten. Doch das war eine Stilsache. Schwerer wog, dass er einen Beamten des Finanzministeriums dazu brachte, ihn alle Unterlagen zusammenzustellen, die er für seine Hypo-Aussagen benötigte, und sich überdies noch beraten ließ. Noch schwerer wiegt, dass dieser Beamte das unvereinbare Ansinnen nicht schlichtweg abgelehnt hat.
Insofern können sich die Medien, von Grasser früher benutzt, von Ainedter nun verteufelt, auf ein weiteres Sittenbild der Republik während des Prozesses freuen – wie immer er dann ausgeht.