Eugen Freund, Spitzenkandidat der SPÖ bei der EU-Wahl im Mai, liebt Amerika, sein Amerika, wie er in einem Buch schrieb. Da wird er nichts dagegen haben, an den amerikanischen Balladensänger Tom Lehrer erinnert zu werden. Dieser hatte sich einmal über das Verschwinden von Vizepräsidenten Hubert Humphrey aus der Öffentlichkeit mit der Frage lustig gemacht: „Hubert, who?“ Humphrey, wer?
Vier Monate nach der EU-Wahl kann man sich in Anlehnung an Lehrer folgende Szene ausdenken:
Josef Ostermayer betritt das Büro des Bundeskanzler: „Du, Werner, der Eugen Freund hat mir gesagt, er habe sich in Brüssel noch nicht ganz eingearbeitet.“
Werner Faymann blickt verwundert: „Eugen, wer?“
Seit vier Monaten hat man in der Öffentlichkeit von Freund nichts mehr gehört und gesehen. Am Wahlabend ein gequältes Lächeln über ein Plus von 139 Stimmen gesamtösterreichisch und eines von 15, 6 Prozent in seiner Heimatgemeinde St. Kanzian in Kärnten – „Weil dort kennt man mich“ - das war’s dann auch. Seither ist der Mann, der sein Bild als ZIB-Moderator gerne groß auf Autobussen gesehen hätte und in einem Interview einen Bezug zwischen sich und Bill Clinton hergestellt hat, nicht mehr aufgetaucht. Es hat ihn die SPÖ auch nie mehr vor irgendeinen Vorhang gebeten – jedenfalls keinen, der die Medien interessiert hätte. Das muss hart sein für jemanden, der als ORF-Korrespondent in Washington einmal „präsent, präsent, präsent“ war, wie er selbst gesagt hat. „News“ ging Ende Juli einmal auf die Suche nach Freund und hat ihm beim Einarbeiten in Brüssel getroffen, aber sonst scheint er niemanden in Politik und Medien abzugehen.
Looking for Eugen Freund könnte aber ein durchaus sinnvolles Unterfangen sein, denn aus seiner Spitzenkandidatur für die SPÖ sind auf alle Fälle zwei Lehren zu ziehen:
- Eine so plump vordergründige Auswahl eines Spitzenkandidaten, wie sie Werner Faymann oder Josef Ostermayer (was ist der Unterschied?) im Jänner 2014 mit Freund getroffen haben, lassen sich die Wähler auch nicht auftischen. Sie merkten sehr wohl die Absicht und waren dementsprechend verstimmt. Das ist eine gute Nachricht. Nur weil Freund ein bekanntes Gesicht war, zwar nicht auf Autobussen, aber am TV-Schirm, konnte man ihn noch lange nicht als ernsthaften Europa-Parlamentarier verkaufen. So dumm sind dann die Wähler auch wieder nicht. Der SPÖ hat diese Auswahl also gar nichts gebracht. Das ist beruhigend und sollte anderen in anderen Parteien spätestens jetzt eine Lehre sein.
- Journalisten sollten wissen, was sie können und was nicht. Sie halten es anderen nur allzu oft vor. Mit einer einzigen Ausnahme – Ursula Stenzel von der ÖVP als EU-Parlamentarierin und dann Bezirksvorsteherin im 1.Bezirk in Wien – hat noch kein Journalist in der Politik reüssiert, nicht Franz Kreuzer als Gesundheitsminister, nicht Alfred Worm in Wien, nicht
Hand Pretterebner als FPÖ-Abgeordneter zum Nationalrat etwa. Ergo wird Freunds Erfahrung anderen hoffentlich eine Lehre sein. Die SPÖ ist so offenkundig glücklich über sein Verschwinden, weil er für Werner Faymann ja der personifizierte Vorwurf einer misslungenen Personalentscheidung ist. Wer will schon ständig daran erinnert werden?
Die Ironie dabei ist, dass Freund im Laufe der Jahrzehnte im ORF beachtlichen Widerstand gegen ein österreichisches Schicksal wie es ihn nun in der Politik ereilt, geleistet hat. Mehr als einmal wurde ihm gewissermaßen Verschwinden nahe gelegt: Nach seinem ersten Ausflug in die Politik als Pressesprecher des SPÖ-Außenministers Willibald Pahr wollte man ihn nicht wirklich zurück, dann schaffte er es nach Washington, danach hatte der ORF wieder keine Verwendung für ihn. Als man ihn schließlich im Fernsehen nicht mehr wollte, wechselte er zum Radio und lieferte dort sehr gute Auslandsbeiträge. Damit er sich Bildschirm-Präsenz erhalten kann, sicherte er sich eine Moderation bei Wien Heute – um schließlich nach dem plötzlichen Abgang eines ZIB 1-Moderators auf dessen Spitzenjob zu landen.
Andere im ORF hätten sich wahrscheinlich in weiße Elefanten verwandelt und in der Kantine des ORF-Zentrums am Küniglberg ihr Schicksal beklagt. Freund suchte sich einfach die nächste Aufgabe selbst. Wäre sie nur nicht in der Politik gewesen.
Tom Lehrers Ballade trägt übrigens den Titel: „Whatever became of Hubert?“
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