Nächste Woche also heiratet Österreichs Außenministerin Karin Kneissl. Herzlichen Glückwunsch!
Das freudige Ereignis kann sie die Häme vergessen lassen, die sie sich in den letzten Tagen durch zwei Interviews eingehandelt hat. So wird in der Tageszeitung „Kurier“ unter dem Titel „Die Ich-Ministerin und die Medien“ als „Donald Trump für Arme“ beschrieben. Das ist ungerecht. Denn im Gegensatz zum Präsidenten der USA, der mit Dauerempörung Politik macht, ließ Kneissl „Die Presse am Sonntag“ doch wissen, dass sie nicht zu den Leuten gehöre, „die sich dauernd empören“. Gut, Medien scheint die Außenministerin wie Trump auch nicht zu schätzen, obwohl sie selbst ihre eigenen Journalistenjahre immer ins Gespräch einflicht – oder vielleicht gerade deshalb. Aber auf die Idee, die Medien als „Feind des Volkes“ zu bezeichnen wie Trump dürfte sie nicht einmal im Traum kommen. „Volk“ kommt wohl auch nicht so gut an, wenn man das Amt von FPÖ Gnaden hat.
Der Vergleich ist aber auch deshalb ungerecht, weil Kneissl bis jetzt ihr Amt ganz gut ausgeübt hat. Die Wiederaufnahme der österreichischen Ausgrabungen in Ephesus in der Türkei bei der türkischen Regierung zu erreichen, gehört sicher zu den populärsten Taten bisher. Da spielt dann die Abfuhr, die sie sich bei ihrem Besuch in Moskau für ihr Ansinnen, Österreich könnte im Syrienkonflikt ja eine Vermittlerrolle übernehmen, doch wirklich keine so große Rolle. Und überhaupt ist sie ja, wie sie die „Presse am Sonntag“ wissen ließ, bei der BBC wegen der Brexit-Verhandlungen „dauernd on air“. Nun gut, die EU-Agenden sind ja eigentlich im Bundeskanzleramt, aber das müssen die britischen Journalisten ja nicht wissen.
Allein, Kneissl ist Außenministerin und nicht Erziehungsbeauftrage für Medienvertreter. Den Interviewer im „Standard“ maßregelte sie auf die Frage, was sie zu den Angriffen von FPÖ-Generalsekretär Harald Vilimsky auf EU-Kommissionspräsident Jean Claude Juncker sagt: „Wenn Sie irgendwie verfolgen, was ich in den letzten Monaten in Interviews gesagt habe, wissen Sie: Ich kommentiere nicht, was irgendjemand in einer Partei sagt. Meine Aufgabe als Außenministerin ist, inhaltlich zu arbeiten. Wer was wo sagt: Ich kommentiere es nicht. Das habe ich auch schon kundgetan.“ Bei der Frage nach ihrer Meinung zum Doppelpass für Südtiroler wurde sie noch pädagogischer: „Wenn Sie die damaligen Interviews in Vorbereitung auf dieses Gespräch studiert haben, können Sie daraus einige der Antworten bereits entnehmen...“ Oder : “Es ist immer hilfreich, wenn man sich anschaut, was dazu schon gesagt wurde, um dann im Interview einen Mehrwert herauszuholen. Ich habe immer wieder darauf hingewiesen, dass als erster logischer Schritt ein Ausstieg aus der Europaratkonvention zur Vermeidung von Doppelstaatsbürgerschaften erfolgen muss. Dafür sind andere Schritte notwendig, auf die ich wiederholt hingewiesen habe.“ Auf die Idee, dass die Leser einer Tageszeitung vielleicht nicht an ihren Lippen hängen und daher nicht mitbekommen, worauf sie anderswo „wiederholt hingewiesen“ hat, scheint sie gar nicht zu kommen. Oder es geht nur um die Möglichkeit, abzukanzeln. Das hat sie eigentlich nicht notwendig, der Hinweis auf die Europaratkonvention hätte völlig genügt.
Einen Einblick in die Gründe ihres fast schon zwanghaften pädagogischen Eifers den Medien gegenüber bringt vielleicht eine Passage in dem Interview mit der „Presse am Sonntag“: „Ich war ja selber in der Berichterstattung tätig. Und was mir abgegangen ist, war eine Kollegenschaft, die sich selbst auf den Weg und vor Ort ein kritisches Bild macht. Da fehlen die Leute oder einfach das Interesse. Als ich der „Presse“ vor Jahren nach einer Reise in den Iran, die mich zirka 2500 Euro gekostet hat, einen Text anbot, lehntet ihr mit der Begründung ab, es sei von mir schon eine Iran-Geschichte im „Kurier“ erschienen.“ Dass es umgekehrt genauso gewesen wäre, weil man eben ein und dieselbe Geschichte nicht zwei konkurrenzierenden Wiener Tageszeitungen verkaufen kann, ist ihr heute wahrscheinlich noch nicht einsichtig.
Wie denn auch, denn Kneissl weiß ja am besten, wie aus dem Interview hervorgeht, wie eine Redaktion zu führen ist. Konkurrenz sei doch egal: „Ich wurde immer nur auf Zeilenbasis honoriert, war nirgendwo angestellt, nirgendwo versichert. Also was ist da bitte Konkurrenz?“ Wie wäre es mit redaktioneller Konkurrenz oder journalistischer? Warum sollten sich Leser für das eine oder andere Blatt entscheiden, wenn sie in beiden die gleichen Geschichten finden?
Was das Zeilenhonorar damit zu hat, erschließt sich dem Leser wahrscheinlich nicht. Aber Kneissl weiß eben was zu tun ist: „Dann stärkt doch bitte die paar Journalisten, die vor Ort sind, und zahlt ihnen eine angemessenes Honorar.“ Der Satz ist nicht weiter verwunderlich, denn – und ich erinnere mich als Verantwortliche damals sehr gut – Kneissls Probleme mit der „Presse“ waren Anfang der zweitausender Jahre egozentiert – lange Diskussionen inbegriffen. Nicht zur Sache, aber zu Befindlichkeiten. Auch das hätte sie bei ihren Kenntnissen etc. eigentlich gar nicht notwendig gehabt. Gerade deshalb drängte sich bei Amtsantritt die Frage auf: Wie lange wird das gut gehen? Die Antwort liegt seit einigen Tagen vor: Bis jetzt! Also rund acht Monate. Denn jetzt werden ihre Probleme mit einem Teil des Personals im Außenamt öffentlich, nachdem sie bisher nur hinter vorgehaltener Hand thematisiert worden sind.
Wie sie in dem Interview mit der „Presse am Sonntag“ von der Maßregelung der Redaktionen zu ihrem nicht so geglückten Moskau-Besuch kommt und vom angemessenen Honorar für Journalisten zu ihrer Weigerung, in Zukunft riesige Journalistendelegationen auf ihren Reisen mitzunehmen, das ist schon hohe Ich-Kunst. Was Journalisten da nämlich so treiben, hat für sie „wenig mit Berichterstattung zu tun.“ Wohl weil ihr „Erfolg“ in Moskau nicht so richtig gewürdigt wurde. Und statt „Durchbruch“ „Abfuhr“ in den Schlagzeilen stand. Die Moskau-Reise sei ihre eine „Lehre“ gewesen. Sie werde in Hinkunft auf Berichterstattung verzichten und „anfangen, Gastkommentare zu schreiben.“ Was aber wenn sich Medien ob des Propagandainhalts nicht angetan zeigen? Gibt es dann serienweise Frontalangriffe auf Publikationen?
Kneissl weiß ja auch, wie oder was Journalisten eigentlich zu fragen haben: „Es kommen keine interessanten Fragen. Sie wollen wissen, wie ich Trump und die FPÖ kommentiere. Ich habe von Anfang an hundert Mal gesagt, dass ich niemanden kommentiere. Ich will operativ tätig sein.“ Es steht ja jedem Politiker frei, in einem Interview selbst interessante Themen zu setzen, wenn schon angeblich keine passenden Fragen kommen. Von dieser Möglichkeit machte Außenministerin Kneissl jedenfalls in den beiden erwähnten Interviews keinen Gebrauch.
Es ist auch schwer, wenn man Fragen nur mit dem Hinweis auf andere Interviews beantworten will wie vor einigen Tagen in der ZIB 2. Ein gnadenlos höflicher Armin Wolf wollte sie zur Abschiebung von Asylwerbern, die in der Wartezeit eine Lehre beginnen konnten, in ihrer Eigenschaft als Integrationsministerin fragen. Sie ließ ihn wissen, dass sie doch erst kürzlich ein Interview im arabischen Nachrichtensender Al Jazeera gegeben habe. Ganz so als ob doch jeder verpflichtet wäre, die Sendungen auf diesen Sender zu verfolgen.
Mein Gott, Frau Kneissl. Österreichische Außen- und Integrationspolitik ginge doch auch anders.
Wikipedia/Bundesministerium für Europa, Integration und Äußeres - Bundesministerin begrüßt Ihre Mitarbeiter