„Wir sind nicht mehr ganz dieselben wie vorher, aber wir sind nicht so verändert, dass wir Panik bekommen müssten und uns nicht mehr im Spiegel erkennen würden. Wir sind herausgefordert, die Sache zum Laufen zu bringen und dafür zu sorgen, dass Integration gelingt.“ Von Österreich ist hier nicht die Rede, könnte es aber sein – abgesehen von der Tatsache, dass wir hierzulande selten etwas „zum Laufen bringen“.

Von Deutschland in der Flüchtlingskrise ist vielmehr die Rede und von jenem Politologenehepaar Marina und Herfried Münkler, das dieser Tage in allen Medien auftaucht, auch im ORF (http://tvthek.orf.at/program/ZIB-2/1211/ZIB-2/13580949). In seinem neuesten Buch geht es um „Die neuen Deutschen“.

Diese dürften den meisten Österreichern – und hier ist einmal nur von denen OHNE Migrationshintergrund die Schreibe – herzhaft egal sein. So wie das Münkler-Zitat oben, erschienen in einem Interview mit dem „Berliner Tagesspiegel“. Egal ist wahrscheinlich das falsche Wort, denn jede Erwähnung von Angela Merkels Flüchtlingspolitik löst völlig überzogene Aversionen aus.

Zuletzt fiel das bei der Kritik von Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil (SPÖ) an der deutschen Bundeskanzlerin auf. Da setzte bei manchen Postern jede Fähigkeit zur nüchternen Überlegung aus. Keine Abwägung, was mit dem Angriff „Unverantwortlich“ eigentlich für Österreich zu erreichen wäre außer einer Schlagzeile in der „Bild“-Zeitung; was die „Stänkerei“ für Doskozils Parteichef und Bundeskanzler Christian Kern zwei Tage vor einem Berlin-Besuch oder für Österreichs Kooperationsfähigkeit in der EU bedeutete etc.

Das sind alles Reflexionen, die nichts wert sind, wenn der Schaum einmal vorm Mund auftaucht. Die Episode an sich und Doskozil sind nicht von so großer Bedeutung, dass man immer wieder darauf zurück kommen müsste. Vielmehr interessiert – wie schon so oft – die Frage: Wen oder was respektieren wir Österreicher eigentlich? Und respektieren wir uns eigentlich selbst? Wenn man nämlich niemanden leiden kann, ist das meist ein Anzeichen dafür, dass man sich selbst auch nicht mag.

Jedenfalls sind wir in Bezug auf „die anderen“ schon sehr verhaltensauffällig. Deutschland mögen wir nicht, grundsätzlich und überhaupt, was bei jeder Gelegenheit an die Oberfläche kommt. Die USA ja auch nicht, wie die regelmäßige Aufwallung von anti-amerikanischen Sentiments, übrigens in einer schwer verständlichen Intensität, beweist. Mit den unmittelbaren Nachbarn im Osten wurde es nach der anfänglichen Euphorie nach dem Fall des Eisernen Vorhangs auch nicht besser.

In einem noch größeren Rahmen gestellt: Was wäre, würden wir uns in einem nationalen Diskurs einmal alle mit der Frage beschäftigen, mit welchen Nachbarländern hat Österreich eigentlich wirklich gute Beziehungen, frei von Neid, historischen Vorbehalten und Selbstüberschätzung, geprägt von wohlwollender Zusammenarbeit und so etwas wie Sympathie hat? Und zwar nur von unserer Seite aus betrachtet. Und nicht als Thema der offiziellen Außenpolitik, sondern der Einstellung vieler Österreicher.

Wir sollten uns endlich um die Wurzeln dieser ich-schwachen Haltung zu „den anderen“ kümmern und sie freilegen. Wenn wir genau wüssten, warum so viele Österreicher sofort bereit sind, ihre Aggressionen gegen andere freien Lauf zu lassen und bei jeder sich abzeichnenden Veränderung sofort in Panik zu verfallen, weil sie – im Sinne des Ehepaars Münkler – befürchten, sich nicht mehr im Spiegel erkennen zu können, dann würde es uns mit uns selbst ein Stück besser gehen.

Die Dinge sind im Großen wie im Kleinen: Man muss nur Österreicher OHNE Migrationshintergrund in den öffentlichen Verkehrsmittel oder auf der Straße beobachten. Viele tragen eine innere Bereitschaft zur Herabsetzung anderer vor sich her oder in sich und sind in jeder Minute bereit, ihre Aggressionen auf andere auszulassen.

Es kann doch nicht sein, dass die österreichische Seele emotional stecken bleibt in dieser Bereitschaft, alle anderen und alles andere spontan immer wieder schlecht zu machen. Sind wir wirklich als Mitgliedstaat der EU zu nicht mehr fähig als die Europa-Hymne heute noch mit dem Lied von Kurt Sowinetz „Olle Menschen samma z'wida, i mecht's in de Gosch'n hau'n. . .” zu verwechseln? Sowinetz hat die Melodie 1972 dazu verwendet.

Mir bleiben mir? Wirklich? Das wird nicht reichen. Und es wird uns nicht gut dabei gehen.

Links: http://tvthek.orf.at/program/ZIB-2/1211/ZIB-2/13580949

http://www.tagesspiegel.de/politik/herfried-muenkler-ueber-deutschtuerken-merkels-loyalitaetsforderung-war-nicht-hilfreich/14463504.html

http://diepresse.com/home/politik/aussenpolitik

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