Nein, nicht die Schüler, die ab diesem Wochenende in ganz Österreich die Klassenzimmer geräumt haben werden, sind gemeint. Vielmehr Pädagogen, Politiker, Journalisten – ohne jede Verallgemeinerung.
1. Pädagogen: Die Direktion einer Wiener Volksschule (Standort bekannt) ließ zu Schulschluss vergangene Woche erkennen, woran es im Schulwesen im Inneren wirklich krankt: Nachlässigkeit, Schlamperei oder schiere Inkompetenz. Sie „bestätigte“ nämlich Anfang Juli 2015, dass eine Schülerin „per Konferenzbeschluss vom 24. September 2015“ die Aufnahme ins Gymnasium nicht erfüllt. Welche Vorahnung! Streng genommen ist dieses Dokument ungültig, ganz abgesehen davon, dass der besagte Konferenzbeschluss drei Wochen nach Beginn des Schuljahres 2015/2016 gefasst worden wäre. Und dies ist niemanden aufgefallen?
Es wird zwar über die weitere Schullaufbahn eines Kindes entschieden, die korrekte Ausfertigung dieser wichtigen Entscheidung aber überfordert eine Schuldirektion? Das zeigt deutlich, dass die Schwachstellen im Bildungssystem nicht dort liegen, wo Politiker sie vermuten.
2. Politiker: Es gehört schon eine ganz besondere Sensibilität für die Dringlichkeit einer Bildungsreform dazu, wenn zwei Landeshauptleute jede Diskussion darüber in der eigens dafür einberufenen Kommission verweigern, weil sie nicht bekommen könnten, was sie wollen: Die Macht über das gesamte Lehrpersonal. Würden sich Kinder/Schüler aufführen wie Niederösterreichs Erwin Pröll (ÖVP) oder Burgenlands Hans Niessl (SPÖ) würde man von einem Trotzanfall sprechen.
Es gehört schon ein ganz enger machtpolitischer Tunnelblick dazu, den Reformbedarf des österreichischen Schulwesens auf die Frage des Zugriffs der Bundesländer auf das Lehrpersonal zu reduzieren und die Inhalte einer Reform völlig außer Acht zu lassen. Nicht die Schulorganisation ist das Problem, sondern die Qualität des Unterrichts, der Ausbildung der Lehrkräfte, der Einstellung den Schülern und Schülerinnen gegenüber. Kurz gesagt: Der jahrzehntelange Pfusch bei der „inneren“ Schulreform, nicht der äußeren.
3. Journalisten: In Kommentaren der letzten Tage – verbal und schriftlich – wurde immer hervorgehoben, dass die Bildungsreform bereits vor Ablauf der Verhandlungsfrist am 17.November „tot“ sei, weil Schulgesetze eine Zweidrittel-Mehrheit im Nationalrat benötigen. Das stimmt so nicht: Der Zweidrittel-Zwang wurde 2005 unter Schwarz-Blau abgeschafft und besteht nur mehr bei fünf Prozent der Schulgesetze, eben jenen, welche die Organisation betreffen. Es wird aber der Eindruck erweckt, als bräuchte man für alle Schulreformgesetze eine Verfassungsmehrheit.
Organisationsfragen sind aber nebensächlich und könnten – ineffizient und steuergeldverschwenderisch wie sie sind – unverändert bleiben, das Schulwesen könnte dennoch reformiert werden. Mit anderen Worten: Eine Bildungsreform kann mit einfacher Mehrheit von SPÖ und ÖVP im Parlament beschlossen werden – sofern die Koalition überhaupt will. So bedeutend sind die Landeshauptleute Pröll und Niessl nicht, dass sie eine Verbesserung des Bildungswesens verhindern könnten.
Wer die Debatte im Parlament zur Aufhebung der Zweidrittel-Mehrheit der meisten Schulgesetze vor zehn Jahren nachlesen will – http://www.parlament.gv.at/PAKT/PR/JAHR_2005/PK0376/ – wird ein De-ja-vu-Erlebnis haben – oder je nach persönlicher Verfassung - in Depression verfallen. Die Phrasen von damals gelten noch immer.
Der Umgang mit dem Thema Bildung und mit den Kindern und Jugendlichen ist eigentlich unverantwortlich – laut Vorahnung vom 17.November 2015.