„Pappschicht“ erdrückt Partei!

Kennen Sie Herrn Franz Schleich? Nein? Sollten Sie aber. Er war bis vor kurzem Landtagsabgeordneter der SPÖ in der Steiermark, ist Vizebürgermeister von Bad Gleichenberg und Bezirksparteichef der Südsteiermark. Warum Sie ihn kennen sollten? Weil er in einem Interview mit dem „Standard“  am 12. Juni sozusagen des Pudels Kern aller politischen Parteien freigelegt hat. Danach müssen Sie sich nicht mehr fragen, wie und warum bestimmte Beschlüsse in den Parteien zustande kommen können. Und warum die Angst vor Änderung bei vielen Entscheidungen das ausschlaggebende Motiv ist.

Herr Schleich, auch Mitglied des Landesparteivorstandes der SPÖ in der Steiermark, hat nämlich aus der Sitzung geplaudert und erklärt warum eben dieser Vorstand auf Vorschlag von Franz Voves die Funktion des Landeshauptmanns an die ÖVP und Hermann Schützenhöfer verschenkt hat.

Schleich: . . . In der Sitzung gab es dann leider aber eine große Mehrheit für den Plan, auf den Landeshauptmann zu verzichten. Wenn man weiß, wer aller im Vorstand sitzt, kann man sich eh einen Reim darauf machen.

Standard: Also Funktionäre, die von Parteiposten abhängig sind?

Schleich: So in diese Richtung.

Die wahre Macht in den Parteien liegt also bei der sogenannten „Pappschicht“ der Funktionäre. Das Copyright für diesen Ausdruck gebührt Franz Vranitzky, der sich vor fast 20 Jahren als SPÖ-Chef einmal darüber beklagt hat.  Diese „Pappschicht“, von unten (politischer Nachwuchs) und von oben (angedachte Veränderungen) undurchlässig, bestimmt in Wahrheit das Geschehen.  Ihre Vertreter kennen nur eine einzigen Leitfaden für ihr Verhalten: Wie bewahre ich meine Funktion, mein Mandat, meine Position wenigstens noch bis zur nächsten Wahl! Grundsätze einer Partei? Lachhaft! Wohl des (Bundes)Landes? Was ficht es sie an? Prinzipien – immer nur etwas für die anderen.  Es geht um den Sessel, auf dem sie gerade sitzen.  Und sonst nichts!

Die Begründung, die dann von den meisten Kommentatoren dafür geliefert wird, dass die Pappschicht-Kameraden nämlich in der Politik (wenigstens ein paar Jahre noch) mehr verdienen als sie es je in der Privatwirtschaft könnten oder dass sie am freien Arbeitsmarkt eben nur schwer vermittelbar wären, ist so abgedroschen, dass man sie gar nicht wiederholen muss.

Sie ist auch nicht ausschlaggebend. Die wahre Macht liegt nämlich bei diesen Pappschicht-Kameraden. Jeder Parteivorsitzende ist auf sie angewiesen, will er am nächsten Parteitag wieder gewählt werden – ob mit 99 Prozent oder mit 87 Prozent, gleichgültig. Sie wissen es und die Parteichefs wissen es. Nur wenn sie in einem Parteichef den Garant für ihren Verbleib auf den oben erwähnten Sessel sehen, tolerieren sie mitunter auch einen Tadel.  Den konnte sich zum Beispiel Franz Vranitzky leisten, nachdem er der SPÖ 1986 die Macht gerettet hatte. Bei einem der folgenden Parteitage ließ er die versammelten Funktionäre unverblümt wissen, dass die SPÖ auf ihn angewiesen sei und sie dies gefälligst zu bedenken hätten.  Vranitzky kannte eben seine Pappschicht-Kameraden.

Herr Schleich hat also seine 5 Minuten Ruhm. Sie seien ihm vergönnt und er sei für seine Offenheit bedankt.  Sie macht die Einschätzung gewisser Parteibeschlüsse in Zukunft leichter und erspart irgendwelche tiefschürfenden Analysen und die Suche nach den Hintergründen unverständlicher Entscheidungen.

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Erwin Schmiedel

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