Schönrede-Wettbewerb am Wiener Rathausplatz

Gäbe es in der österreichischen politischen Kultur so etwas wie Konsequenzen für Fehlverhalten dann müsste

-       die Wiener SPÖ bei der kommenden Gemeinderatswahl nicht nur massiv Wählerstimmen, sondern gleich die Hose verlieren und weit unter jenen 38 Prozent landen, die sie zur Zeit in den Umfragen ausweist. Und zwar wegen der Arroganz der Macht und den wählerverachtenden Zynismus eines Michael Häupl; wegen der Schmecks-Finanzpolitik und der Schuldenmacherei wie sie erst jetzt wieder der Rechnungshof in einem Rohbericht aufgezeigt hat; wegen fortgesetzter Verachtung demokratiepolitischer Spielregeln in der Annahme, den Wähler interessiere das Antrags-Ausschuss-Blockade-Getue zu Verhinderung eines neuen Wiener Wahlrechts ohnehin nicht.

-       die Wiener Grünen sofort die Koalition mit der SPÖ verlassen und jenes Rückgrat zeigen, dass sie vier Jahre lang vermissen haben lassen. So lange wäre Zeit gewesen, seriös ein neues Wahlrecht zu verhandeln. Wer sich mit dem Nasenring durch das Rathaus führen lässt, müsste sich wenigstens im letzten Moment losreißen. Das in solchen Fällen meist verwendete Argument, es sei besser, von innen zu verändern, als draußen nichts bewegen zu können, ist wie immer nicht mehr als eine Schutzbehauptung für den eigenen Machterhalt. Damit verspielen die Grünen den Rest ihrer Glaubwürdigkeit und die Chance auf einen beachtlichen Wahlerfolg.

-       Maria Vassilakou, Heinz Christian Strache und Christina Marek vor die Öffentlichkeit treten und sich im Namen von Grünen, FPÖ und ÖVP bei den Wählern für den Notariatsakt vom Mai 2010, mit dem sie eine Änderung des SPÖ-begünstigenden Wahlrechts versprochen hatten, entschuldigen. Ein Notariatsakt ist eine Rechtserklärung als öffentliche Urkunde mit besonderer Beweiskraft. Dass es davon offenbar zwei Arten gibt, solche für normale Bürger und solche für Politiker, entwertet jede Urkunde.

All das wird nicht passieren, weil wir eben keine Konsequenz-Kultur haben. Statt dessen wird von jetzt bis zur Gemeinderatswahl am Rathausplatz ein Schönrede-Wettbewerb stattfinden, bei dem alle Beteiligten versuchen werden, ihren Wiener Wählern ein X für ein U vorzumachen.  Das ist in Zeiten sinkender Glaubwürdigkeit der Politik und steigender Verunsicherung der Wähler geradezu fahrlässig.

Besonders bei den Grünen wird man sich fragen: Warum ersticken sie nicht an ihren eigenen Worten? Eine Partei, die einen so hohen moralischen Anspruch erhebt und erhoben hat, und dann in der rauen Realität der Wiener Kommunalpolitik so kläglich angesichts der roten Übermacht versagt hat, sollte besser in sich gehen statt auf Wahltribünen. Die Wiener Grünen haben in den vier Jahren ihres Mitregierens keine einzige Gebührenerhöhung thematisiert, das Geld der Wiener für sündteure Projekte mit beiden Händen hinausgeworfen, zur steigenden Arbeitslosigkeit geschwiegen, sich mehr um Verbote, Posten und Klientel gekümmert als um lebensnahe Probleme der Wiener. Und sie werden sich ihre Regierungsbeteiligung so schön reden, dass sie diese trotzt der Demütigung jetzt unbedingt fortsetzen wollen.

FPÖ-Chef Heinz Christian Strache wird sich seine Ambitionen auf den Wiener Bürgermeisterposten schön reden, obwohl er gleichzeitig auch jene auf das Amt des Bundeskanzlers verkündet. Die ÖVP bleibt unter der Wahrnehmungsgrenze und wird von dort nur auftauchen, wenn die Wiener SPÖ sie vielleicht zum bequemeren Koalitionspartner küren sollte.

Wer angesichts dieser Situation sein Wählerheil in einer Stimmzettel-Verweigerung sucht, sei gewarnt. Katastrophale Wahlbeteiligungen konnte schon Helmut Zilk schön reden: Das bedeute nur, dass die Nicht-Wähler eben mit der Stadtverwaltung zufrieden seien. So viel Fantasie wird Michael Häupl auch noch aufbringen.

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Silvia Jelincic

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fischundfleisch

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Jürgen Heimlich

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