Die Reaktion der Medien auf die Tragödie des Fluges 4U9525 der Germanwings am 24. März und ihr Umgang damit seither sollten ausführlich und nachhaltig diskutiert werden – in der (vergeblichen) Hoffnung, dadurch zu mehr Sensibilität zu kommen.
Man hat sich in den letzten Tagen oft gefragt: Sind denn alle verrückt geworden? Sie reden stundenlang über ein Ereignis und über einen Menschen, ohne von beidem die geringste Ahnung zu haben. „Verbage“ nennen das die Angelsachsen, Wortmüll tut es auch. Aber kaum jemand hat die Frage nach geistiger Verwirrung so eindeutig mit „Ja“ beantwortet wie die Online-Ausgabe von „Emma“, mit freundlicher Genehmigung der Säulenheiligen des deutschen Feminismus Alice Schwarzer.
Sie holte sich einen Blog-Eintrag der Sprachwissenschaftlerin Luise Pusch, setzte im Vorspann noch eines drauf mit dem Postulat „Amoktrips sind Männersache“ und ließ dann die vermeintliche Expertin feministischer Linguistik das bis jetzt Unvorstellbare mit unvorstellbar schwachsinnigen Behauptungen analysieren. Zu Puschs Forderung nach einer Frauenquote in den Cockpits der Lufthansa-Flieger fällt mir nur der amerikanische Kabarettist Tom Lehrer ein: „I feel if people can’t communicate the very least they can do is to shut up“. Wer nicht kommunizieren kann, sollte wenigstens den Mund halten.
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Danke!
Aber Wissenschaftlerin Pusch kann doch kommunizieren – und zwar laut „Emma“ völlig abstruse Dinge: „Die Selbstmordquote [...] ist bei Männern viermal so hoch wie bei Frauen. Die Lufthansa könnte also das Risiko, dass ihre Piloten das Flugzeug zu Selbstmord und vielfachem Mord missbrauchen, mit jeder Frau, die sie zur Pilotin ausbilden, ganz erheblich reduzieren.“ Die Frauenquote im Cockpit zu erhöhen sei die „nächstliegende“ Maßnahme, um Katastrophen wie den Flugzeugabsturz zu vermeiden.
Mehr Pilotinnen würden also weniger Amokflüge bedeuten! Irgendwie schwingt da mit: Geschieht der Lufthansa schon recht, wenn 94 Prozent Männer die Flugzeuge steuern. Wird die Fluglinie schon sehen, wohin sie kommt, wenn sie sich „wie die katholische Kirche“ mit ihren geringen Frauenanteil verhält. Amokflüge würden „nahezu ausschließlich von Männern begangen“, ergänzt „Emma“. Was, bitte, ist nahezu ausschließlich? Warum werden die Fälle nicht genannt, in denen Frauen offenbar für das „nahezu“ verantwortlich waren? Irgendwer muss es ja sein, sonst wären es „ausschließlich“ Männer.
Vielleicht hat man bei „Emma“ den blühenden Unsinn doch erkannt und wollte Kritikern den Wind aus den Segeln nehmen: Gibt es in Deutschland ein Denkverbot bei Männergewalt? Wohl kaum! Die Pusch-Auslassungen lassen eher auf ein Verbot für Feministinnen, klar zu denken, schließen.
Es gibt in Deutschland ja nicht einmal ein Verbot, die Opfer einer solchen Katastrophe für feministische Zwecke zu missbrauchen. Als Untermauerung ihrer Forderung nach einer Frauenquote bei den Piloten zerrte Pusch nämlich auch diese an die Öffentlichkeit: Überwiegend Frauen! So machen „Experten“ wie Pusch und all die anderen der letzten Tage, die ihren Wortmüll über die Opfer ausschütteten, diese erst recht wieder zu solchen.
Das war aber noch nicht alles. Was müssen sich die Angehörigen der Opfer, auch sie Opfer der Mediengier nach „Geschichten“, nun denken, nachdem sich jetzt herausstellt, dass die Lufthansa sehr wohl über die „depressive Episode“ des Co-Piloten informiert gewesen ist?
Vor einer Woche hatte Lufthansa-Chef Carsten Spohr nach der Schuldzuweisung an den Co-Piloten durch den französischen Staatsanwalt eine Pressekonferenz gegeben. Danach war er von allen Medien ob seines perfekten Krisenmanagements gelobt worden. Er wurde so etwas wie das „verlässliche Gesicht“ der Katastrophe. Mehr als einmal hatte Carsten jedoch bei diesem Presseauftritt betont, der Co-Pilot sei „zu 100 Prozent flugtauglich gewesen“. Und jetzt das? Die Unterbrechung der Ausbildung des Co-Piloten hatte Spohr nicht verschwiegen, wollte aber keine Gründe nennen und auch nicht kennen. Wer soll das jetzt glauben?
Sind denn alle verrückt geworden, auch noch das Vertrauen in die Lufthansa so aufs Spiel zu setzen? Ausgerechnet aus diesem tragischen Anlass.