Von Zeit zu Zeit taucht der spiritus rector der österreichischen Politik in der Öffentlichkeit auf, also jener Geist, von dem sich unsere Gesellschaft leiten lässt.

Sein Name ist Schlawiner. Er ist, wie allgemein bekannt, pfiffig, ein wenig verschlagen, schlau auch. Am Mittwoch schaute er im Parlament vorbei, als Bundeskanzler Christian Kern und sein Vize Reinhold Mitterlehner ihre Sicht der Konsequenzen des „Brexit“ für Österreich kundtaten. Mit Kosten für Österreich dürfte das keinesfalls verbunden sein. Das Geld muss durch „Effizienzsteigerung“ aufgebracht werden (© Mitterlehner). Nur wie diese aussehen soll, wird nicht gesagt.

Zuvor hatte spiritus rector Schlawiner schon bei Außenminister Sebastian Kurz und Finanzminister Hans Jörg Schelling (beide ÖVP) vorbeigeschaut. Etwa 465 Millionen Euro pro Jahr müsste Österreich nach dem Austritt Großbritanniens zusätzlich nach Brüssel überweisen. Wir doch nicht, lautet der allgemeine Aufschrei. In der Verwaltung in Brüssel müsse gespart werden, hieß es. Die EU hat in Brüssel weniger Beamte als Gemeinde Wien. Wo hier die 12,5 Milliarden Euro, die London nach den letzten Zahlen an Brüssel pro Jahr überweist hereinkommen sollen, ist nicht bekannt.

Es wird über eine drastische Verkleinerung der EU-Kommission geredet werden müssen. Das haben Mitterlehner und Kurz auch schon getan. Demnach könnte nicht mehr jedes der verbliebenen 27 Mitgliedsländer einen eigenen Kommissar nominieren und bekommen. Von einem Verzicht Österreichs auf einen eigenen Kommissar haben die beiden ÖVP-Politiker allerdings nicht gesprochen.

Kürzlich hat in diesem Zusammenhang der spiritus rector auch Alt-Bundeskanzler Wolfgang Schüssel erfasst. In einem Interview mit der „Kleinen Zeitung“ sagte er in der Vorwoche: „Ich war immer dafür, dass jedes Mitgliedsland in jeder Institution vertreten ist, um den Informationsfluss zu haben. Das ist eine Frage der Würde eines Landes".

Also weder zahlen, noch verzichten, aber die Würde des Landes erhalten? Wie sollte das zusammengehen? Es können getrost Wetten darauf abgeschlossen werden, dass auch andere österreichische Politiker von Einsparungen in Brüssel reden werden, aber doch nicht bei uns. Der heilige Floriani, der immer das Haus des Nachbarn anzünden soll und das eigene verschonen, ist nämlich der Bruder vom Schlawiner.

Wenn es tatsächlich nach dem „Brexit“ um harte Reformen in der EU gehen wird, werden sich die großen Versäumnisse in der österreichischen Außenpolitik seit dem EU-Beitritt vor mehr als zwanzig Jahren rächen. Es wurde nämlich nie ernsthaft und nachhaltig der Versuch unternommen, Verbündete zu suchen. Es wurde nie ernsthaft und nachhaltig angestrebt, den spiritus rector, alias Schlawiner, zu verbannen und sich als verlässlicher Partner zu etablieren.

Als 2000 nach der Bildung der schwarz-blauen Koalition Österreich plötzlich in der EU isoliert da stand, wurde die „strategische Partnerschaft“ mit den Visegrad-Staaten propagiert. Es wurde Hilfe bei der Annäherung an die EU versprochen – im Gegenzug für verstärkte Kooperation außerhalb der damals nicht freundlich gesinnten EU. Die Nachbarstaaten merkten die Absicht und waren verstimmt, auf dass der Versuch kläglich scheiterte.

Wenn es um die Folgen des „Brexit“ geht, wird Österreich aber Allianzen schließen müssen. Die Kosten eventuell auf den großen Nachbarn Deutschland abzuwälzen, wird so nicht funktionieren. Sollen halt die Deutschen zahlen, wird keine sehr erfolgversprechende Strategie sein.

Vor allem deshalb nicht, weil Österreich sein Schlawiner-Image in all den Jahren einfach nicht los geworden ist. Es könnten auch jetzt schon weitere Wetten abgeschlossen werden – im Fall der von Kern (& Kurz) vorgeschlagenen Flüchtlingslager außerhalb Europas. Ähnlich wie beim „Brexit“ wird aber nicht dazu gesagt, wie die Sicherheit in diesen Lagern funktionieren soll. Jede Wette, dass Österreich keine seiner Soldaten schicken wird, schon gar nicht vor der nächsten Nationalratswahl. Es könnte ja etwas passieren.

So war es ja auch vor vier Jahren, als Österreich überfallsartig seine UNO-Soldaten von den Golan Höhen abgezogen hat, weil dort Konflikte drohten, weshalb ja die UNO seit Jahrzehnten in dem Gebiet ist. Drei Monate vor der Nationalratswahl 2013 wurden die österreichischen Blauhelme abgezogen und ihre Schiausrüstung den Ersatztruppen aus Fiji übergeben. Man kann sicher sein, dass die internationale Gemeinschaft diese Hals-über-Kopf-Aktion nicht vergessen hat.

Man kann auch sicher sein, dass am Wiener Boulevard wie in all den Fällen, in denen Österreich international etwas zu leisten hätte, gegen höhere Zahlungen an die EU nach dem „Brexit“ angeschrieben und die FPÖ angeschrieen wird. Wie wir aus dieser Nummer herauskommen sollen, dazu hätte es am Mittwoch im Parlament Vorschläge geben müssen.

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