Zu den am stärksten abgenützten Phrasen der Politik in Österreich gehören: Die Koalition zwischen SPÖ und ÖVP ist keine „Liebesheirat" , wobei sie nie eine war und nie eine sein wird. Sie ist vielmehr eine „Zweckehe". In den letzten Jahren kommt sie gefährlich in die Nähe einer „Zwangsehe". Seit fast 30 Jahren werden diese Bilder von Politikern und Journalisten immer und immer wieder gebraucht, um das wunschlose Unglück der rot-schwarzen Regierungsgemeinschaft zu beschreiben.
Nun gut, soll sein. Wenn dem aber so ist, dann war am Dienstag nach dem Ministerrat eine Szene zu beobachten, die mehr über diese Was-Immer-Ehe der beiden Regierungsparteien ausgesagt hat, als alle Filzmaiers (atemloser Kommentator in Permanenz, Peter Filzmaier) dieses Landes je analysieren könnten. Es ging, wie könnte es anders in diesen Tagen sein, um Kärnten. Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) wurde also Dienstagvormittag von einem Journalisten gefragt, ob es stimme, dass zwischen Bund und Kärnten eine Einigung über die Modalitäten der Geldspritze für das beinahe insolvente Bundesland erzielt wurde? Faymann umging die Antwort mit dem Hinweis, Kärnten habe noch nicht akzeptiert, daher könne er nichts sagen.
An diesem Punkt fiel ihm sein Vize Reinhold Mitterlehner quasi ins Wort und dies sinngemäß mit folgender Bemerkung: Wie er die innenpolitischen Abläufe kenne, werde es vor Donnerstag kein Ergebnis geben. Für Donnerstag, also heute, war ein „Gipfeltreffen" in Kärnten geplant, zu dem Faymann also als großer Vermittler und Retter in Kärntens Not anreisen sollte. Mitterlehner vermittelte seine Kenntnis mit einem so süffisantem Lächeln, dass sein Sarkasmus unüberhörbar und – was vielleicht noch wichtiger ist – unübersehbar war. Er schien stolz auf seine Süffisanz zu sein und den Journalisten schien es zu gefallen. Jeder im Raum wusste, wie er es gemeint haben muss: Na, der Herr Bundeskanzler wird sich wohl eine Feder auf seinen Hut stecken wollen! Die Kontrolle über seine Gesichtszüge war da Mitterlehner bereits völlig entglitten.
Aber Faymann und sein Parteifreund, Landeshauptmann Peter Kaiser in Kärnten, haben die Dynamik einer Zwangsehe offenbar unterschätzt. Denn wenige Stunden später verkündete Finanzminister Hans Jörg Schelling am Nachmittag den Deal mit Kärnten: Ein Kredit über 343 Millionen Euro, konkrete Bedingungen inklusive. Womit sich der medial aufbereitete Rettungsgipfel des Bundeskanzlers in Klagenfurt erübrigt hätte.
Ehetechnisch war das eine typische Aktion unter dem Motto „dem anderen eines „auswischen" oder den anderen „übertrumpfen". Bei Ehepaaren, vor allem jenen mit langer Gemeinsamkeit, ist das ja häufig zu beobachten – vornehmlich vor Publikum in Gesellschaft. Und Publikum gab es im Pressefoyer des Ministerrats genug.
Politisch gesehen war es ein weiterer Beweis dafür, dass Politik eben so ist wie „der kleine Maxi" sich das vorstellt. Dass es dabei ja meist um überbieten und übertreffen geht, ist ja nicht wirklich neu. Selten aber macht es ein Spitzenpolitiker vor aller Augen nonverbal so transparent wie es Reinhold Mitterlehner mit seiner vielsagenden Körpersprache am Dienstag getan hat.