Terror. Und er gewinnt doch!

Nach jedem Terroranschlag in Europa in den letzten Jahren waren alle Politiker, insbesondere jene der betroffenen Staaten, schnell mit der Versicherung zur Stelle: Niemals werde Terror unsere Werte und unsere Lebensweise verändern können. Niemals werden wir uns einschüchtern lassen. So hieß es noch vor zwei Wochen nach dem Anschlag in Manchester.

Nun ist vor der frühzeitigen Wahl zum britischen Unterhaus am Donnerstag alles anders. Premierministerin Theresa May stellt die Menschenrechte zur Disposition. Wenn diese den Kampf gegen den Terror behindern, dann werde man sie eben begrenzen; dann werde man die Gesetze ändern. In einem Tweet schreibt sie es „ganz klar“: Sollten die Menschenrechte uns daran hindern, mit Extremismus und Terrorismus fertig zu werden, dann werden wir diese Gesetze für die Sicherheit der Briten ändern.“ Dann also soll die Europäische Menschenrechtskonvention nicht mehr gelten?

Härte ist populär vor allem in Zeiten nationaler Wahlentscheidungen und vor allem nach einer Anschlagserie wie sie Großbritannien in den letzten Wochen und Monaten erlebt hat. Die konservative Politikerin May ist unerwartet vor der von ihr zwecks Ausbau der Tory-Mehrheit gewünschten Wahl schwer in Bedrängnis geraten. Ihr Versuch, mit Härte zu retten, was zu retten ist, daher verständlich. Was aber ist aus all den pathetischen Versprechen geworden, dass Terrorattacken die Werte der liberalen Demokratie nicht erschüttern können?

May kündigte an, die Bewegungsfreiheit von Terrorverdächtigen einzuschränken, ausländische Terrorverdächtige schneller abzuschieben, längere Haftstrafen verhängen zu können. Wäre das alles nicht längst schon möglich gewesen bei entsprechenden rechtsstaatlichen Konsequenzen? Wenn hier die Bürokratie versagt hat, ist das kein Grund, die Menschenrechte zu beschneiden.

Erst Mitte Mai haben die Konservativen in ihrem Parteiprogramm festgeschrieben: „Wir bleiben während der nächsten Legislaturperiode der Europäischen Menschenrechtskonvention verpflichtet.“ Jetzt aber soll zum Beispiel das „Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens“ und auf private Kommunikation nicht mehr gelten? Zuerst für mutmaßliche Terroristen und dann? Weil Sicherheitsapparaten möglicherweise in dem einen oder anderen Fall Fehler unterlaufen sind, soll jetzt ein Grundrecht geopfert werden?

Auch wenn Mays Ankündigung nur in einem letzten innenpolitischen Rettungsversuch im Wahlkampf begründet ist, so signalisieren sie doch eine gefährliche Entwicklung: Wenn Menschenrechte einmal eingeschränkt sind, wer garantiert, dass dies nur Terrorverdächtige betrifft? Mit Terrorverdacht lässt sich in diesen unsicheren Zeiten alles begründen. Wessen Bewegungsfreiheit kann dann noch eingeschränkt werden? Wessen Kommunikationsfreiheit? Welche Freiheit wird dann noch der Angst vor Terror geopfert werden?

Mays Zweifel an dem unantastbaren Wert der Menschenrechte beweist nur eines: Der Terror gewinnt doch! Entgegen allen Versicherungen. Denn genau dies wollen die Terroristen erreichen: eine westliche demokratische Gesellschaft in Angst und Schrecken, unsicher ob ihrer Werte, bereit, diese für Sicherheit aufzugeben. Für eine Sicherheit, die – auch dies wurde uns immer wieder gesagt – nie hundertprozentig sein kann.

Wie immer die Unterhauswahl ausgeht, ob May für ihre Reduktion der Sicherheitskräfte in ihrer Zeit als Innenministerin abgestraft wird oder nicht, ihr populistischer Zweifel an den Grundwerten der westlichen europäischen Gesellschaft ist a) eine Ermunterung zu neuen Terroranschlägen, weil er als Schwäche interpretiert wird und b) ein Zeichen für alle Politiker mit Hang zur illiberalen Demokratie.

Dieser Verrat an allen bisherigen Bekenntnissen war vor einigen Wochen noch völlig denkunmöglich. Was kommt als nächstes?

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