Das müssen Sie gesehen haben! Gemeint ist die Videoaufzeichnung des Frühstücks der Nato-Spitze mit US-Präsident Donald Trump am Mittwoch. Warum? Österreich ist nicht Mitglied des transatlantischen Verteidigungsbündnisses und die Breitseite, die Trump gegen Deutschland abgefeuert hat, geht uns schon gar nichts an? Und überhaupt, Österreich darf ja nicht einmal mehr mit der Nato kooperieren, weil der Präsident des Nato-Mitglieds Türkei, Recep Erdogan, keine Partnerschaft mit Österreich will – weder für den Frieden noch für sonst etwas.
Sie sollten sich das Video in voller Länge ansehen. Es veranschaulicht am besten, was Politiker vom Typ Trumps – und diese gibt es auch in Europa – von ihren Zuhörern, ob Funktionäre oder Wähler, wirklich halten: Bescheuert genug, um die Wiederholung der ewig gleichen Worte zu ertragen. Tump war von Anfang an hier Trendsetter: Ob vor November 2016 bei Wahlkampfveranstaltungen oder nach der Wahl bei seinen regelmäßigen Massenversammlungen für seine Anhänger oder bei diversen Reden, sofern er sie frei halten kann – er ergeht sich unablässlich in Wiederholungen. Nicht nur einzelner Wörter, sondern ganzer Sätze und Redepassagen.
Die Zwergenversion auf Österreichisch ist uns seit dem Wahlkampf 2017 bekannt. Damals hat ÖVP-Spitzenkandidat Sebastian Kurz monatelang „die Balkanroute geschlossen“ – so lange bis man aus lauter Überdruss nicht mehr wissen wollte, wo diese Route überhaupt liegt. Sein Wahlerfolg zeigte wie wirkungsmächtig diese Methode sein kann. Seither lässt er als Bundeskanzler nicht mehr davon ab. Von der Balkanroute schon, nicht von der Methode. Und sein Vize, Heinz Christian Strache, ist sein getreuer Nachahmungstäter. Man muss nur genau hinhören.
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Vorerst aber hören Sie bei Trump genau hin: Wie in einer Endlosschleife drehte Trump verbal seine Runden, das ganze Eingangsstatement lang, von dem er wusste, es wird live übertragen. Also waren wir das eigentliche Publikum und nicht die Nato-Vertreter, die mit am Frühstücktisch saßen: Immer wieder die gleichen Sätze von Deutschland, das Milliarden an Russland zahle und von den USA Schutz gegen Russland einfordere; Deutschland, das sich mit der Nordstream-Pipeline von Russland energiemässig abhängig mache und von den USA Schutz erwarte. Mindestens neun Mal kommt in den paar Minuten der Satz vor „pay billions of dollars to Russia“, mindestens ebenso oft „we protect you“ und sieben Mal allein das Wort „inappropriate“, also unangemessen oder unangebracht.
In der Sache selbst hat Trump so unrecht nicht, das wissen aber auch die Nato-Partner wie die Antwort von Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg zeigte. Er wies auf die Differenzen innerhalb der Nato bei diesem Punkt und auch auf die Kritik an Deutschland hin.
Die wichtige Frage aber bei Trumps Wortschwall aber ist immer: Hat der US-Präsident nur einen so beschränkten Wortschatz, dass er sich nicht anders auszudrücken vermag oder hält er seine Zuseher für dämlich genug, um sie dieser verbalen Folter aussetzen zu können. Oder hat er ohne Redezettel nicht mehr zu sagen? Oder will er einfach quälen? An der Standardweisheit der Kommunikation, dass nämlich ein Politiker seine Botschaft in einem Auftritt mindestens drei Mal wiederholen muss, um seine Zuhörer zu erreichen, kann es nicht liegen. Denn dann wäre es bei diesem ominösen Frühstück nach drei Mal „Milliarden für Russland“ genug gewesen. Aber nein! Das ganz noch einmal und noch einmal. Es war schmerzhaft. Nun könnte man einwenden, das sei nun wirklich nicht das Entscheidende in den transatlantischen Beziehungen unter Trump. Stimmt! Entscheidend ist, welche Einstellung, welche Geisteshaltung und welche Politik sich hinter dieser Sprachunkultur verbirgt: Die Geringschätzung bis Verachtung der (Gesprächs)Partner und letztlich der Wähler.
In der österreichischen Zwergenversion kommen dann in der Endlosschleife die Sätze von der „Zuwanderung ins Sozialsystem“, von der „Schließung der Mittelmeerroute“, von dem „Schutz der EU-Außengrenze“ , vom „Sparen im System und nicht bei den Menschen“, von Europa, das „sich selbst aussuchen muss wer kommt und nicht die Schlepper“ und ähnliche Stehfloskeln daher. Immer und immer wieder. Alles Wörter, die für breite Schichten so gut klingen, dass diese sich dann nicht mehr darum kümmern, ob den diversen Ankündigungen auch je Taten gefolgt sind.
Gewiss, die Zeiten, in denen ein Barack Obama mit rhetorisch glanzvollen und inhaltlich interessanten Reden Wahlen gewinnen konnte, sind offenbar vorüber. Es ist anzunehmen, dass sie auch mit dem Präsidenten Frankreichs, Emmanuel Macron, der etwa bei einem Auftritt an der Georgetown University in Washington eine singuläre einstündige freie Rede abgeliefert hat, vorerst nicht wiederkommen. Aber ein wenig mehr intellektuelle Substanz könnte schon sein.
Vielleicht auch nicht! Nur was sagt es über uns aus? Dass wir gar nicht gefordert sein wollen? Dass wir gar nicht mehr an Aufbruch und Erbauung interessiert sind? Dass es uns genügt, uns am niedrigsten Niveau dahin zu schleppen? Dass wir mehrheitlich eher die verbale Qual wählen als uns mit der Qual der Wahl zu beschäftigen. Das sind keine guten Vorzeichen für den Erhalt der Demokratie.
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