Verbot von Umfragen vor einer Wahl, jetzt!

Es ist ungefähr 15 Jahre her, da erzählte ein damals enger Vertrauter des niederösterreichischen Landehauptmanns Erwin Pröll folgende Geschichte: Kurz vor der Landtagswahl 1998 erschien ein ÖVP-naher Meinungsforscher im Büro des Landeshauptmanns mit dem Ergebnis einer Umfrage, in der die zu erwartende absolute ÖVP-Mehrheit im Land ausgewiesen worden war. Pröll soll in seiner bekannt umgänglichen Art dem Überbringer der guten Nachricht folgendes an den Kopf geworfen haben: Wenn er diese Umfrage vor dem Urnengang veröffentlicht, werde er nie wieder einen Auftrag der niederösterreichischen Partei erhalten. Nichts konnte Pröll weniger gebrauchen, als eine phlegmatische Wählerschaft am Wahltag!

Daran musste ich letzten Sonntag denken, als wir in Puls 4 rund 90 Minuten lang völlig sinnfrei, wie sich herausstellen sollte, über das Ergebnis von Umfragen zur Wiener Gemeinderatswahl diskutierten. Was da – und auch im ORF – vor 18 Uhr, also vor der ersten echten Hochrechnung, besprochen worden ist, war die Luft nicht wert, die wir zum Reden benötigten.

Seither wurde kurz darüber sinniert, warum die Meinungsforschung mit dem prognostizierten Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen SPÖ und FPÖ so eklatant daneben gelegen ist, aber nicht über ein Veröffentlichungsverbot von Umfragen vor einer Wahl. Das würde wegen der Manipulationskapazität der Umfragen – sie oben – bei weitem mehr Sinn ergeben.

Und es wäre auch nicht das erste Mal. Vor 15 Jahren hat sich eine Enquetekommission im Parlament schon damit beschäftigt. Sie ist zum Schluss gekommen, dass für Österreich nicht gelten sollte, was Frankreich, die Schweiz, Griechenland, Italien, Spanien, Luxemburg und die Türkei etwa praktizieren. Ob aus Überzeugung, Bequemlichkeit oder Angst vor den Medien, die in Österreich wochenlang vor einem Urnengang täglich von der Veröffentlichung von Umfragen leben, lässt sich jetzt nicht mehr feststellen.

Jedenfalls tauchte eine solche Diskussion 2009 vor der Kärntner Landtagswahl und 2013 nach der Nationalratswahl kurzzeitig wieder auf, um sofort umgehend eingestellt zu werden.

Die Verteidiger des Veröffentlichungsrechts führen ins Treffen, das ein Verbot ein Anschlag auf die Pressefreiheit wäre; das Publizieren der allerletzten Daten die Spannung vor einer Wahl erhöhe und damit einen gewissen Mobilisierungseffekt habe – und „alte“ Daten zu einer Verzerrung führen würden, weil sie die Wähler über jüngste Entwicklungen im Unklaren ließen.

Die Befürworter eines Umfrageverbots knapp vor einer Wahl verweisen darauf, dass Umfragewerte für die einzelnen Parteien oft ein ganz falsches Bild ergeben und außerdem von einer Diskussion über deren Inhalte ablenken würde.

So gesehen kann die Wiener Gemeinderatswahl als Lehrstück in die Schulbücher eingehen. Die geschickte Inszenierung des rot-blauen „Duells“ mit freundlicher Unterstützung der Medien und vor allem der FPÖ selbst geriet zum Vorteil für die SPÖ. Ob ohne sie der Abstand zur FPÖ auch so groß ausgefallen wäre, darüber kann nur mehr spekuliert werden. Sicher ist, es hat Grünen und der Wiener ÖVP geschadet. Ist das in einer lupenreinen Demokratie fair?

Nun kann man einwenden, dass keiner Partei verboten werden kann, Umfragedaten in ihrem Sinn zu verwenden, selbst wenn es sich um Manipulation handelt. It takes two to tango! Jemanden, der zu manipulieren versucht, und jemanden, der sich manipulieren lässt.

Dennoch muss man nach diesem Wiener Wahltag ein Verbot der Veröffentlichung von Umfragen verlangen. Es würde die Wähler zwingen, sich genauer mit Inhalten, Programmen, Versprechungen, Versäumnisse zu beschäftigen.

Und wenn schon nichts anderes: Es würde am Wahltag Zeit sparen – wie letzten Sonntag zu beweisen war!

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