Der 1. Mai ist vorüber, der Muttertag naht. Dazwischen die EU-Prognose, die bezüglich Wirtschaftswachstum und Arbeitslosigkeit Österreich zum Problemfall erklärt. Dazwischen auch der Ruf nach einem weiteren politischen „Gipfel“, dieses Mal zur explodierenden Arbeitslosigkeit (Reinhold Mitterlehner, ÖVP, immerhin seit sieben Jahren Wirtschaftsminister) und einer Enquete zum gleichen Thema (Rudolf Hundstorfer, SPÖ, immerhin seit sieben Jahren Sozialminister).
Was aber hat der 1.Mai mit dem Muttertag und dem Dazwischen zu tun? Die Antwort ist ganz einfach: Am Tag der Arbeit wurde von SPÖ-Chef Werner Faymann, immerhin seit sieben Jahren Bundeskanzler, und Wiens Bürgermeister Michael Häupl, immerhin seit gefühlter Ewigkeit der angeblich mächtigste Mann der SPÖ, „sechs Wochen Urlaub für alle“ als Geistesblitz in Zeiten des schwachen Wirtschaftswachstums und nicht als jene Snapsidee verkauft, die SPÖ-Klubobmann Andreas Schieder ein paar Tage zuvor schon hatte. Die ÖVP reagierte wie immer reflexartig mit Ablehnung, vergaß dabei aber geflissentlich die gleichlautenden Aussagen ihrer ÖAAB-Chefin Johanna Mikl-Leitner vor einem Jahr.
„Sechs Wochen Urlaub für alle“? Aber wer sind denn alle? Da betreten jetzt die Mütter die Bühne: Sind „alle“ auch jene Jungen, um deren berufliches Fortkommen sich Mütter am kommenden Sonntag zu sorgen haben? Die trotz bester Ausbildung nur geringfügige Beschäftigungen finden? Und jene, die sich in die Selbstständigkeit flüchten müssen und oft gar nicht wollen? Die Praktikantinnen und Praktikanten, die trotz Doppel-Abschluss eines Studiums keinen konventionelle Anstellungen bekommen? Und alle, die zu spät geboren wurden, um die Segnungen eines Arbeitsmarktes, wie er in den Hirnen der SPÖ-Politiker und SPÖ_Gewerkschafter noch immer zu existieren scheint, genießen zu können: Jahrelange Anstellungen, Jahrzehnte im gleichen Beruf oder gar am gleichen Arbeitsplatz? Wohl kaum!
Wer erklärt den Müttern, dass ihre Kinder am Beginn ihrer Berufslaufbahn keineswegs zu den „allen“ gehören werden? Wer schenkt ihnen reinen Wein ein, dass die Arbeitswelt, von der man in SPÖ und ÖGB noch träumt, so real nicht mehr existiert?
Es geht offenbar nicht die Köpfe der SPÖ, des ÖGB und des ÖAAB, dass schon lange nicht mehr „alle“ Arbeitnehmer sind, wie sie sich das vorstellen. Aber das ist typisch für die Retro-Denke in diesen Kreisen: In dem lebenswerten Staat ihrer Fantasie haben möglichst alle möglichst viel frei. Daher hat sich in den letzten Jahr(zehnten) weder die Politik, noch die Gewerkschaft (ob rot oder schwarz) um die Veränderungen am Arbeitsmarkt gekümmert; haben die prekär und geringfügig Beschäftigten, die Selbstständigen und die Arbeitslosen keine Vertretung und kein Sprachrohr gehabt. Sie interessieren die sogenannten Arbeitnehmervertreter einfach nicht, weil sie sich nicht durchgängig organisieren lassen. Und deshalb zur Stärkung des eigenen Vereins nichts beitragen.
Wenn „alle“ sechs Wochen Urlaub konsumieren, wird wohl niemand aus dem Jammertag der stagnierenden Wirtschaft herauskommen. Werden sich die Unternehmer es mehrfach überlegen, in Österreich neue (konventionelle) Arbeitsplätze zu schaffen; werden die Investitionen weiter zurück gehen, die Arbeitswelt sich in Privilegierte und Benachteiligte spalten.
Statt mehr „frei“, müsste die zeitgemäße Parole mehr „leisten“ und mehr „arbeiten“ lauten. Mütter verstehen das. Sie sehen, wie sich ihre Kinder abmühen, ein Fuß auf den traditionellen Arbeitsmarkt zu bekommen.
Österreich hat laut EU-Prognose in den letzten Jahren seine günstige Position verspielt – unter der Verantwortung jener, die am 1.Mai mehr freie Arbeitstage forderten. Wen soll das am kommenden Sonntag beruhigen?