Verklärt wird später!

Ein etwas anderer Blick auf einen Säulenheiligen

Die Jungen, die heute nach einem Journalismus-Studium mit 21 oder 22 Jahren in den österreichischen Medien arbeiten wollen, waren Kleinstkinder als Gerd Bacher 1994 als ORF-Generalintendant in Pension ging. Ob sie mit den Nachrufen seit seinem Ableben letzten Sonntag viel anfangen können, ja ob sie zuvor überhaupt seinen Namen präsent hatten, ist ungewiss.

Wissen sollten sie aber, das alles, was in den letzten Tagen über Gerd Bacher geschrieben, gesagt und wiederholt wurde, wahr ist: Seine Leidenschaft für den Journalismus und dessen Unabhängigkeit, seine Förderung von Talenten, seine Liebe zum ORF und was es Löbliches noch zu sagen gibt.

Aber bevor die endgültige Seligsprechung zum Säulenheiligen des österreichischen Journalismus erfolgt, sollten Sie auch erfahren, dass Bacher seine Karriere in einer Zeit begann, als die einzige Voraussetzungen für Journalisten, die Frechheit war, den Beruf ergreifen zu wollen, wie eines seiner legendären Zitate lautet; dass die Verachtung für weibliche ORF-Angestellte heute undenkbar wäre. Entsprechende Aussagen aus den siebziger Jahren sind aus Gründen des guten Geschmacks nicht wieder zu geben. Heute würde sich keine Frau mehr gefallen lassen, was im „System Bacher“ oder unter den „Bacherianern“, wie es jetzt heißt, damals üblich war. So ist jedenfalls zu hoffen. Sie sollten auch erfahren, dass eine Gefolgschaft, wie sie Bacher lange Zeit in den siebziger und achtziger Jahren genoss, immer auch etwas Befremdliches hat: Wenn ganze Gruppen von Männern beginnen Diktion und Gehabe zu imitieren, sollte das nachdenklich stimmen.

Die Jungen können aber jetzt auch noch zwei weitere Lehren aus der Biografie Gerd Bachers ziehen, sofern sie diese interessiert. Erstens: Wie geht man mit der eigenen Vergangenheit um? Zweitens: Wofür bin ich bereit, um meine Karriereziele zu erreichen?

In der ORF-Dokumentation zu seinem Leben, die am vergangenen Sonntag ausgestrahlt wurde, hatte Bacher dankenswerter Weise zu seinen frühen Jahren im Nazi-Regime Wahres und Erhellendes zu sagen – über das „Unglück“ alles zu verlieren, an das man geglaubt hat; plötzlich nicht mehr der sein zu können, der man geglaubt hat, zu sein. Für einen jungen Menschen in der Tat eine existenzielle Erschütterung. Aus den späteren Jahren Bachers konnte man bei allen Wandlungen doch erkennen, dass einer so frühen Prägung nicht zu entkommen ist. Wie für den legendären „Presse“-Chefredakteur Otto Schulmeister oder den Eigentümer der „Kronen Zeitung“ Hans Dichand so schien der junge Jörg Haider in der zweiten Hälfte der achtziger und den ersten neunziger Jahren auch für Bacher die Erinnerung an die eigene Jugend wachzurufen und seine Rechtfertigungssätze von der Pflichterfüllung und den „guten Seiten“ des NS-Regimes schienen willkommen.  Und erst vor etwa zehn Jahren blitzte der Schock der Niederlage des NS-Regimes für Bacher offenbar wieder auf, als er einen „Presse“-Kommentar zum Irak-Krieg der Administration George W. Bush mit dem erschreckenden Satz beendete: „Dafür bin ich nicht umerzogen worden“.

Und zu welchen Schritten ist man um eines Karriereziels willen bereit? Als im Frühjahr 1989 Otto Schulmeister die Herausgeberschaft der „Presse“ an Gerd Bacher übergeben wollte, war die Aufregung in der Redaktion groß. Eben war der „Standard“ als ernsthafte Konkurrenz am Markt erschienen, jung, dynamisch, links der Mitte, da sollte eine derartige Personalentscheidung das „Alte Tante“-Image der „Presse“ und ihre rechtskonservative Ausrichtung verstärken?

Bei einem Mittagessen mit Bacher im Hotel Sacher unternahm ich den Versuch, ihn davon zu überzeugen, dass er „der ORF ist“, sich bei der nächsten Wahl des Generalintendanten, die 1990 anstand, doch sicher bewerben werde und die Herausgeberschaft der „Presse“ und deren Infrastruktur nur dazu benützen wolle, um diese Wahl vorzubereiten. Er möge doch bitte einsehen, dass er mit dem ORF gewissermaßen „eins“ ist, außerhalb des Unternehmens kaum je wirklich Erfolg gehabt habe und dass es eben solche Konstellationen gebe.  Bacher versicherte, das Gegenteil sei wahr, die Herausgeberschaft der „Presse“ für ihn die „Krönung“ seiner Laufbahn.

Er hat mich nicht überzeugt. Die Redaktion versuchte, die Bestellung zu verhindern. Eher unbeholfen, wie sich dann herausstellen sollte. Im Juni 1989 zog Bacher in die „Presse“ ein. Ich verdankte ihm damals die Erkenntnis, dass es als Angestellte eines Betriebes wahrscheinlich doch nicht so sinnvoll sein könnte, sich so vollkommen mit dem Unternehmen zu identifizieren. Und an Entscheidungen zu leiden, die man für falsch hält. 1990 begann die Ära Bacher III im ORF.  Vorbereitungszeit ab Juni 1989.

Das war Karriereplanung. Das könnten Junge auch aus der beachtlichen Biografie Bachers ablesen: Talent allein führt nicht zum Erfolg, der Rest ist „grit“,  Entschlossenheit und Planung also.

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