Es ist als wäre heuer der Muttertag verfrüht ausgebrochen. Medien, die sozialen und die anderen, sind dieser Tage besessen von jener 65jährigen Lehrerin in Berlin, die mit Vierlingen schwanger sein soll. Insgeheim wünscht man sich fast, dass die Mutter von 13 Kindern diese Schwangerschaft um der medialen Aufmerksamkeit wegen erfunden hat und alle jetzt so Aufgeregten am Ende des Schwindels ziemlich dumm dastehen. Man wünscht sich das um der vier Kinder willen.
Und zwar nicht aus den Gründen, die jetzt breit mit Hilfe der Rechenkünste diskutiert werden: Wenn die Mutter 75 sein werde, werden die Kinder gerade die Volksschule verlassen; wenn sie 80 sein werde gerade in die Pubertät kommen etc. Das sei verantwortungslos. Gerade in diesem Fall ist das nicht das wichtigste Gegenargument gegen so späte Schwangerschaften. Denn mit 13 Geschwistern würden die Vierlinge wahrscheinlich so gut aufgehoben sein wie kaum Kinder anderer alten Eltern, bei denen man sich sorgen muss, wer in ein paar Jahren die Verantwortung übernehmen und die Geborgenheit garantieren würde. Unter 13 Geschwistern findet sich gewiss ein Mutterersatz.
Das ist also das unwichtigste Argument. Der Wunsch, das Ganze möge ein Schwindel sein, bezieht sich auf drei andere Fragen:
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- Bei einem so hohen Altersrisiko sind gesundheitliche Schäden der Kinder nicht ausgeschlossen, wenn nicht gleich, so doch später. Das bewusst in Kauf zu nehmen ist verantwortungslos – auch wenn es nie – in keinem Alter – eine Garantie auf gesunde Kinder gibt. Es grenzt an Missbrauch, dieses Risiko für andere Menschen einzugehen. An pränatalen gewissermaßen.
Der aus diesem Anlass häufig verwendete feministische Ansatz, warum das Alter einer Frau diskutiert werde und nicht auch das oft hohe Alter später Väter, ist voll daneben. Zwar gibt es auch bei älteren Männer offenbar ein erhöhtes Gesundheitsrisiko für die Kinder, aber nicht in denselben Ausmaß – sie tragen die Kinder ja nicht aus. Mit anderen Worten: Ihr Körper hat keine neunmonatige Belastung. Die Amerikaner haben für einen alten Vater übrigens einen wunderbaren Begriff: Start-Over-Dad.
- Vielmehr sollte über die Verantwortung der Wissenschaft und der Ärzte gesprochen werden. Ist es wirklich ethisch vertretbar, dass alles, was medizinisch möglich ist, auch durchgeführt wird? Diese Diskussion wird nicht annähernd mit der gleichen Intensität geführt wie jene über die Verantwortung der Frauen. Sie wäre aber viel wichtiger, denn medizinische Grenzenlosigkeit ist - zu Ende gedacht – viel erschreckender. Aber die Auseinandersetzung darüber wird wahrscheinlich aus finanziellen Gründen klein gehalten, umso wichtiger wäre sie.
- Es müsste endlich darüber diskutiert werden, dass es bei Frauen offenbar auch so etwas wie eine Sucht nach Schwangerschaft und/oder Babys gibt. Die 65jährige Berlinerin wäre nicht der erste Fall. Weil aber Mutterschaft generell einen hohen sozialen Stellenwert hat, gehört die Suchtkomponente zu den Tabus, die einfach nicht angesprochen werden. Sie ist nicht mit dem oft verzweifelten Wunsch nach einem Kind zu verwechseln, der Frauen dazu bringt, alle möglichen Prozeduren und Schmerzen für seine Erfüllung auf sich zu nehmen. Es gibt Fälle, eher in den USA bekannt als in Europa, in denen Frauen über jedes vernünftige Maß hinaus zu den eigenen Kindern immer noch mehr Säuglinge adoptieren, obwohl sie die materielle Belastung gar nicht tragen können. Dass Mutterschaft süchtig machen können, darüber darf man nicht reden.
Offenbar auch nicht über ein anderes Tabu auf der Kehrseite der Medaille: Die Reue der Frauen, sich je auf die Mutterschaft eingelassen zu haben. Die israelische Forscherin Orna Donath hat es aufgegriffen. Und seitdem ist unter #regrettingmotherhood der Teufel los. Dürfen Frauen das sagen, was in der Studie zu lesen ist? Auf die Frage, ob man mit dem Wissen und der Erfahrung von heute „wieder Mutter werden“ würde, einige der Antworten: „Ich würde sofort verzichten“ (Mutter von drei Kindern). Oder: „Ich habe sofort gemerkt, dass das nichts für mich ist. Das Schmerzhafteste ist, dass ich nicht die Zeit zurückgehen kann, um alles zu reparieren“ (Mutter von zwei Kindern)
Hier ein link dazu, weil sich unlängst eine Kommentatorin beschwert hat, dass ich keine verwende. Für manche Dinge ist man eben doch nie zu alt:
http://www.academia.edu/9820246/Regretting_Motherhood_A_Sociopolitical_Analysis
Aber wie ist das jetzt mit den Müttern? Sind Frauen auch in diesem Punkt in einer No-Win-Situation. Wollen sie zu viele Kinder, ist es nicht recht. Wollen sie keine, auch nicht.
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