Über sechs Monate benötigten die rot-schwarzen „Entscheider“, um so etwas wie einen Plan zur Behandlung, nicht Beherrschung, der aktuellen Flüchtlingskrise am Mittwoch vorzulegen. Zur Erinnerung: Der erste Asyl-Gipfel war Ende Juni 2015 spektakulär gescheitert, weil schlecht bis gar nicht vorbereitet. Das war immerhin mehr als vier Wochen nachdem sich im Mai der Ansturm angekündigt und das Innenministerium bereits den „Notstand“ ausgerufen hatte. Weil damals vieles versäumt worden war, musste jetzt fast panikartig ein Gipfel der „Einigung“ der Koalitionspartner SPÖ und ÖVP her.
Danach können folgende Wetten angeboten werden:
1. Dass diese Einigkeit nur wenige Tage anhalten wird, was sich bereits unmittelbar nach dem Treffen im offenen Widerspruch von Wiens Bürgermeister Michael Häupl und Teilen der Wiener SPÖ gezeigt hat. Der Streit wird bald von Neuem losgehen.
2. Dass demnächst wieder der schlechte „Verkauf“ der Beschlüsse beklagt werden wird, der halt leider wieder nicht optimal gelaufen ist, weshalb die Bevölkerung deren Segnungen nicht ausreichend zu würdigen weiß – und der Werbeeffekt für das Kabinett Faymann & Mitterlehner wieder gegen Null tendiert.
3. Dass sich die FPÖ in alle vorhandenen Fäustchen lachen und es immer schon gewusst haben wird, die Regierung werde nicht umhin kommen, blaue Forderungen zu erfüllen.
Aber Wetten lösen keine Probleme und verhelfen keinen einzigen Flüchtling zu sinnvoller Integration in Österreich. Gewonnene Wetten beweisen nur, dass man in der Einschätzung recht gehabt hat. Rechthaben aber, so hat es Michael Fleischhacker einmal formuliert, ist das Trostpflaster des Lebens. Aber auch das hilft keinem Flüchtling.
Das Erschreckende an den Regierungsbeschlüssen von Mittwoch und dem nachfolgenden Erklärungsmarathon von Innenministerin Johanna Mikl-Leitner und des designierten Verteidigungsministers, Hans Peter Doskozil, im ORF danach ist aber die totale Verwirrung. Fast scheint es, als habe man sich dazu absichtlich entschlossen, um doch noch irgendwie Einigkeit vortäuschen zu können oder zu einem späteren Zeitpunkt von der Bevölkerung nicht zur Rechenschaft gezogen zu werden.
Denn in Wahrheit wurden zwei völlig konträre Dinge beschlossen. Wie es scheint, gab es einen „schwarzen“ und einen „roten“ Beschluss: Eine Obergrenze ist nämlich etwas, das unbedingt einzuhalten ist. Das wären dann 37.500 Flüchtlinge pro Jahr und nicht ein Kind mehr. Wie wird man das an der Staatsgrenze bei Familien handhaben, wenn ein Elternteil der 37.500te Asylwerber ist, dessen Kinder aber 37.501 und 37.5002? Trennt man Familien oder zwingt man Eltern, sich zu entscheiden, welches Kind nicht mitkommen darf? Vor dem Hintergrund der unbedingten Beachtung eines Grenzwertes kann man nur annehmen, dass die Regierung ihren Beschluss nicht so genau nehmen will, wie sie vorgibt.
Das Gegenteil einer Obergrenze ist aber der „Richtwert“, von dem gestern auf der roten Seite so hartnäckig die Rede war wie von der Obergrenze auf der schwarzen. Ein Richtwert ist aber etwas, das angestrebt oder gewünscht wird, eine Empfehlung gewissermaßen, dessen Nichteinhaltung keinerlei Konsequenzen hat. Dann können es auch 37.900 oder 40.500 Flüchtlinge sein. Egal!
Der Salzburger Landeshauptmann Wilfried Haslauer hat den Sinn der politische Übung von SPÖ und ÖVP in dankenswerter Offenheit klargestellt: Einig war man sich darin, dass es nicht noch einmal so werden darf wie 2015. Der Rest? Schau ma mal!
Mehr war nicht. Bundeskanzler Werner Faymann konnte deshalb gar nicht „umgefallen“ sein, wie ihm Parteifreunde prompt vorwarfen. Und Vizekanzler Reinhold Mitterlehners ÖVP konnte sich gar nicht durchgesetzt haben. Da seien Richtwerte, Planungsgrößen, Richtgrößen davor.
Top die Wette gilt!