Vergangene Woche empörte sich das Land, weil in der Landesregierung Oberösterreichs keine Frau mehr vertreten ist. Jetzt empören sich viele, weil Innenministerin Johanna Mikl-Leitner nicht und nicht zurücktritt. In Linz wollte man unbedingt eine Frau in der Landesregierung sehen, in Wien will man unbedingt eine Frau nicht mehr in der Bundesregierung sehen.
Was jetzt? Haben wir das klare Denken verlernt? In Oberösterreich wurde nicht über Qualifikation und Eignung diskutiert, sondern nur über die Tatsache, dass Männer eine Frau aus ihren Reihen vertrieben haben. In Wien wird nicht darüber geredet, ob eventuell auch ein Mann mit der akuten Flüchtlingssituation überfordert wäre, sondern nur darüber, wie man eine Frau rasch aus der Koalition vertreiben kann.
Warum sind Frauen nur so auf Frauen fixiert? Man sollte bei Mikl-Leitner auch darüber reden, dass sich die männliche Spitzen der Regierung, Werner Faymann und Reinhold Mitterlehner, den ganzen Sommer weggeduckt haben und politisch unauffindbar waren. Man sollte fragen, warum sie nicht spätestens Anfang September von Mikl-Leitner Maßnahmen zur geordneten Flüchtlingsaufnahme an den Grenzen verlangt haben und nicht erst jetzt. Warum sie unfähig waren und sind, innerhalb der Koalition eine konsistente Linie herzustellen, wenn doch die Flüchtlingssituation vor Wochen schon zur Chefsache erklärt wurde? Warum man sich am Mittwoch nach dem Ministerrat nicht die Peinlichkeit erspart hat, dass die Innenministerin weiter trotzig von der Errichtung eines Zaunes an der Grenze zu Slowenien sprach, währen Faymann und Mitterlehner nach dem Ministerrat das Wort nicht in den Mund nehmen wollten und von „besonderen baulichen Maßnahmen“ oder „Türln mit Seitenteilen“ gefaselt haben?
In Oberösterreich wurde für Politikerinnen so etwas wie ein Artenschutzprogramm verlangt. In Wien wird Mikl-Leitner zum Abtreten aufgefordert. Warum nicht auch Werner Faymann und Reinhold Mitterlehner?
Das ergibt keine Logik.
Oder doch? Das TIME Magazin veröffentlichte dieser Tage eine Studie, wonach Verärgerung bei Männern viel eher akzeptiert wird als bei Frauen, selbst wenn dafür die gleichen Worte und der gleiche Tonfall verwendet wird. http://time.com/4089074/angry-men-women Das ist sehr aufschlussreich, zeigt es doch, dass Frauen in die gleiche Gender-Falle tappen wie Männer, was sie diesen aber wiederum zum Vorwurf machen.
In Oberösterreich hätte frau sich zumindest mit der Qualifikation der beiden männlichen Kandidaten und der ehemaligen Landesrätin Doris Hummer beschäftigen müssen bevor die Empörung über die frauenlose Landesregierung ausbrach. Das war aber nicht der Fall. Frau-Sein genügte. Bei Mikl-Leitner genügt es aber offenbar nicht. In Oberösterreich waren die Männer die Bösen. In der Wiener Bundesregierung werden sie geschont.
Das passt nicht zusammen. Es wäre an der Zeit, den Gender-Furor zu beenden, zu einem etwas klareren Denken zurück zu kehren und Frauen in der Politik gleich zu behandeln wie Männer. Dann wäre zumindest klar, dass die männliche Regierungsspitze dafür verantwortlich ist, eine heillos überforderte Innenministerin gewähren zu lassen.