Eineinhalb Jahre wurde verhandelt. Präsentiert wurde eine Einigung zwischen Bund und Länder, hochtrabend Finanzausgleich genannt, bei der die so oft beschworenen Reformen mit freien Auge nicht sichtbar sind, von einer echten Bundesstaatsreform ganz zu schweigen, und der zufolge die Länder mit 300 Millionen Euro mehr nach Hause fahren.

Finanzminister Hans Jörg Schelling (ÖVP) hat das den „Einstieg zum Umstieg“ genannt. Wie wäre es nach diesem Ergebnis aber mit Ausstieg, Herr Minister? Also mit Rücktritt? Viel Hoffnung und vor allem die Erwartung, Schelling werde nie klein beigeben müssen, denn er sei von der Politik unabhängig, hatte seine Berufung ausgelöst. Flächendeckendes Lob, basierend eben auf der Annahme, der ehemalige Manager des Möbelhauses Lutz und Präsident des Hauptverbandes der Sozialversicherung, habe das größte Atout im Ärmel: Seine Unabhängigkeit. Er werde das Notwendige, das er ja in vielen medialen Auftritten und in vielen Aussagen, erkennen hatte lassen, schon durchsetzen. Wer wenn nicht er? Also war wieder nichts!

Leise Zweifel an der ihm vorweg zugeschriebenen Durchschlagskraft waren schon früher bei verschiedenen Gelegenheiten aufgetaucht. Verfestigt hatten sie sich in seiner Budgetrede im Oktober: Nicht nur haben große Reformen gefehlt, sondern auch die starke Handschrift, wie die rot-schwarze Regierung und er sich die Gestaltung der Politik in den verbleibenden Jahren denn so vorstellen. Man hätte meinen können, Schelling wäre stark genug gewesen, diese im Budget zu erzwingen.

Nach dieser Nagelprobe im Finanzausgleich aber muss man leider feststellen: Zwischen einem hervorragenden Rhetoriker, der oft eine beißende punktgenaue Analyse der gegenwärtigen Zustände – auch und vor allem in den Bundesländern – vorlegen kann, und einem Politiker, der nach seinen Erkenntnissen handelt und sie auch durchsetzt, liegen offenbar Welten. Und die haben mit der schönen Wohnwelt eines Möbelhauses und der schönen Welt eines Weingutes nichts zu tun.

Diese Regierung in ihrem jetzigen Zustand hätte sich einen Rücktritt des Finanzministers gar nicht leisten können. Die Karte hätte Schelling auf den Tisch legen können, wenn ihm das Gute, das Richtige, das Zynische, das er so verbal von sich gibt, wirklich wichtig wären. Theoretisch hätte er damit auch nicht Neuwahlen provoziert, denn der Finanzausgleich war kein Streitthema der Koalitionspartner, sondern eines der Regierungsspitze mit den Landeshauptleuten. Bundeskanzler Christian Kern und Vizekanzler Reinhold Mitterlehner hätten Schelling den Rücken stärken können – und nicht mit ihm in die Knie gehen dürfen.

300 Millionen Euro mehr Geld, zusätzlich 125 Millionen Euro für die Belastungen durch die Flüchtlingskrise, keine Übertragung der Steuereintreibung durch die Länder selbst, auch als Steuerhoheit bekannt, aufgabenorientierte Finanzierung auf die lange Bank geschoben, bei den Schulen zum Beispiel auf 2019, anderes überhaupt erst mit 2021 angedacht: Das sind alles Termine, an denen Schelling höchstwahrscheinlich nicht mehr Finanzminister sein wird. Also dieses Ergebnis hätte auch ein Säckelwart zustande gebracht, der nicht mit so vielen Vorschußlorbeeren ins Amt geholt worden ist. Da sind nicht einmal andere Ideen wie die Abschaffung der kalten Progression, die Schelling wieder mehr oder weniger kampflos aufgegeben hat, noch gar nicht erwähnt. Und schon gar nicht, dass die eine große Leistung, auf die sich Schelling berufen wird, der Vergleich mit den Gläubigern im Hypo Alpe Adria Skandal, vom Steuerzahler mit Milliarden finanziert wird. Um einen solchen Preis kann jeder Finanzminister ein Thema von seinem Tisch bekommen.

Und wieder hat jemand eine Chance vertan, mit seinem Rücktritt der Politik ein Stück Glaubwürdigkeit zu retten oder zurück zu geben. Aber Schelling wird das bei nächster Gelegenheit sicher schlüssig und sogar humorvoll erklären können.

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