Wir, die Wiederholungstäter!

Die Reaktionen auf die Landtagswahlen in der Steiermark und im Burgenland waren erbärmlich – und zwar nicht nur auf der politischen, sondern vor allem auf der medialen Seite. Wir haben die Fehler schon vor 20 Jahren gemacht und wiederholen sie jetzt.

Fehler, welche Fehler? Auch während des scheinbar unaufhaltsamen Aufstiegs der FPÖ unter Jörg Haider haben sich die Medien immer nur auf  die Frage der möglichen Koalitionen, auf die Farbenspiele eben, konzentriert und nie auf die Sachfragen oder gar auf die Fragen, die für das Leben der Wähler relevant waren.

Bei jeder Diskussion, bei der ich auf dieses Versagen hinweise, das eigene damals inklusive, ernte ich Unverständnis. Wie kann man so etwas zugeben? Wieso dieses Eingeständnis? Ganz einfach, weil es notwendig ist. Hätten wir uns, mich eingeschlossen, vor 20 Jahren mit den Problemen beschäftigt, von Haiders FPÖ immer die Lösungen eingefordert, diese auf ihre Tauglichkeit abgeklopft und SPÖ und ÖVP gezwungen, sich damit zu auseinander zu setzen, wären wir heute in einer anderen Situation. Auch 1994 bis 1999 war eine Zeit des Stillstands.

Und jetzt wiederholt sich dieses Spiel. Seit dem 31.Mai gab es in der Republik offenbar kein anderes Problem als Rot-Blau oder doch nicht. Mit dem Wort Tabubruch war man schnell bei der Hand und verlor dabei die Dimension völlig aus den Augen. Tabubruch war 2000 als Wolfgang Schüssel trotzt Rücktrittsankündigung die Regierung bildete. Es wäre auch einer gewesen, hätte die ÖVP damals mit den Grünen koaliert, was man natürlich im linken Spektrum damals ganz anders gesehen hätte.

Was aber ein völlig unbedeutender Landeshauptmann von 277.569 Einwohnern in seinem  schönen, aber unbedeutenden Bundesland aufführt, sollte eigentlich so viel Erregung auslösen wie ein Wechsel in einem einzigen Wiener Bezirk.Die Aufregung wäre nur im Hinblick auf die geltenden Parteitagsbeschlüsse der SPÖ gerechtfertigt gewesen,  aber als innerparteiliches Problem ohne Erschütterungspotenzial für die Republik.

Wenn wir Journalisten uns nicht pronto eines Besseren besinnen, dann geht das Spiel die nächsten Monate so weiter. Dann wird in Oberösterreich vor der Landtagswahl nicht über den Niedergang der Industrie, steigende Arbeitslosigkeit, Finanzdebakel der Stadt Linz etc. diskutiert und geschrieben werden, sondern lediglich über Schwarz-Grün-Blau-Rot. Wichtiger noch Wien: Die Arbeitslosigkeit explodiert, der Schuldenstand steigt, Wohnen wird für viele nicht mehr leistbar und die Steuerschraube wird via Gebühren und Abgaben immer stärker festgedreht, ohne dass sich jemand dagegen wehren kann. In manchen Bezirken gibt es Integrationsprobleme, in manchen Schulen Bildungsnotstand, das Gesundheitswesen erfordert Aufmerksamkeit.

Aber nein, wir Journalisten werden, wenn wir uns nicht besinnen, fünf Monate die immer gleichen Fragen stellen: Wer wird mit wem, wenn dies und das eintritt, was dann vielleicht gar nicht eintreten wird. Der Anfang ist schon gemacht: Michael Häupl verwehrt den Grünen die Koalitionsgarantie! Die Endlosschleife der eintönigen medialen Betrachtung der Zeit nach der Wahl, deren Ausgang niemand kennt, ist in Gang gesetzt.

Können wir uns, bitte, nicht einfach mit den Themen der Stadt beschäftigen und von allen – von der SPÖ bis zu den Neos – die Lösungsvorschläge verlangen. Und so auf gewisse Weise nachholen oder gut machen, was wir vor 20 Jahren versäumt haben? Die Frage „Mit wem wollen Sie....?“ durch die Frage „Was machen Sie...?“ ersetzen?

Die erste Frage wäre legitim, wenn es in Österreich eine Kultur der klaren Antworten gäbe wie etwa in Deutschland. Dann wüsste man wenigstens, welche Kombination an Parteien man will oder eben nicht. Weil aber eindeutige Ansagen vor einer Wahl hierzulande nicht zu haben sind, ist das immer gleiche sinnlose Drängen darauf überflüssig.

P.S. Jetzt überschlagen sich die Kommentare auch von politischer Seite in Lob für Franz Voves und seine „Selbstaufopferung“ nach seiner Selbstbeschädigung. Warum nicht gleich? Diese Frage wird er erst beantworten müssen. Aber wirklich achtens- und lobenswert wäre das Verhalten der Wahlverlierer SPÖ und ÖVP gewesen, wenn Hermann Schützenhöfer die gleichen Konsequenzen aus der Abfuhr der Wähler gezogen hätte. Alles andere ist jetzt Machterhaltungsmurks – wie im Burgenland.

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