So schnell kann’s gehen. Seit Monaten galten Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil (SPÖ) und Innenminister Wolfgang Sobotka (ÖVP) als das Falken-Dreamteam der rot-schwarzen Koalition. Die Hardliner-Buddies der Asylpolitik am rechten Rand ihrer Parteien, die ach so gut zusammenarbeiten. Bis am Mittwoch.
Da gefiel es Doskozil die in letzter Zeit etwas abgeflaute Debatte um Asylwerber wieder anzuheizen. Bis zu 90 Prozent der Abgelehnten blieben weiter im Land, weil die Rückführung nicht funktioniere. Für diese ist aber das Innenministerium zuständig. Das Ressort Wolfgang Sobotkas ließ das so nicht auf sich sitzen: Die genannten Zahlen stimmen so nicht. Höchstens 30 Prozent der negativen Asylentscheidungen könnten nicht vollzogen werden.
Dieser Konflikt ist vom menschlichen Standpunkt aus gesehen zwar überflüssig, politisch und rechtlich aber interessant. Einer der beiden Minister muss mit falschen Zahlen spielen. Beide können nicht stimmen. Es sei denn die Verwaltung erweist sich neuerlich als inkompetent, weil man, wie eine Sprecherin des Innenministeriums am Mittwoch zugab, gar nicht sagen könne, wie viele Personen mit negativem Asylbescheid sich derzeit in Österreich aufhalten. Man wisse nicht, ob sie Österreich nicht schon verlassen haben. Wenn dem aber so ist, dann kann auch der Verteidigungsminister nicht von 90 Prozent sprechen. Woher will er das dann wissen?
Zurück zu den Zahlen:
Laut Innenministerium hat es dieses Jahr bis September 11.500 negative Asylbescheide gegeben. Demnach müssten sich laut Doskozil noch 10.350 davon im Land aufhalten. Laut Innenministerium seien aber 7.826 außer Landes gebracht worden, freiwillig oder nicht.
Da drängen sich schon drei Fragen auf. Für keine ist aber das Verteidigungsministerium zuständig:
1.) Bei all dem (politischen) Drama, das es dieses Jahr um die Asylpolitik, die Notverordnung, die Obergrenze gegeben hat, ist die Verwaltung nicht einmal fähig gesicherte Zahlen zu liefern? Und wie will man die Obergrenze von 37.500 erkennen, wenn man nicht einmal eindeutiges Zahlenmaterial hat?
2.) Wie muss sich eine verblüffte Öffentlichkeit das vorstellen? Asylantrag abgelehnt und Tschüss? Wir hoffen, der/die Abgelehnte verlässt Österreich. Wenn nicht und jemand untertaucht, haben wir einen Fall weniger zu bearbeiten?
3.) Reicht es aus, dass man einfach schätzt – so wie Doskozil, der zu Protokoll gab : Nach meiner Einschätzung können wir etwa 90 Prozent der Personengruppe mit negativem Asylbescheid nicht in ihre Herkunftsländer zurückbringen, weil es keine Rückübernahmeabkommen gibt...“
Das ist aber auch nicht erst seit gestern bekannt. Für den Abschluss solcher Abkommen wäre das Außenministerium zuständig. Dort wurde jedoch keine Hyperaktivität in dieser Richtung entwickelt. Den Grund gab Sebastian Kurz am Mittwoch im EU-Hauptausschuss zu: Die Gelder der Entwicklungshilfe Österreichs seien so gering, dass man damit kein „Drohpotenzial“ aufbauen könne. Nur die EU könne via Geld auf Länder wie Marokko Druck ausüben.
An diplomatische Bemühungen und Verhandlungen wird also bei Drohung und Druck gar nicht erst gedacht. Der Außenminister müsste eigentlich ununterbrochen in den betreffenden Ländern unterwegs sein, um solche Abkommen zu erreichen.
Halten wir also fest: Das Verteidigungsministerium des SPÖ-Ministers schiebt den Schwarzen Peter dem Innenministerium unter ÖVP-Führung zu, das Innenministerium reicht ihn weiter an das Außenministerium und dieses weiter an die EU. Keines der Ressorts weiß genau wie vielen Personen eigentlich betroffen sind, obwohl jeder einzelnen ein „Bescheid“ ausgestellt wurde. Und in Wahrheit reden wir von Zehntausenden Einzelschicksalen.
Und dann kommt irgendwann in der Nacht die Polizei und schiebt jemanden ab.
Da kann man das Asylthema wieder in die Titelzeilen bringen und sich als Law-and-Order-Duo profilieren.
Eigentlich war vorauszusehen, dass das mit der reibungslosen Zusammenarbeit von Verteidigungs- und Innenminister auf die Dauer nichts wird. Zwei (in der Eigenwahrnehmung) vermeintliche Alpha-Politiker aus dem Burgendland und aus Niederösterreich das konnte nicht lange gut gehen.
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