Weg und Ziel sind in bestimmten Fällen identisch, in den meisten nicht. Für Anarchisten gilt: Der Weg ist das Ziel, was der permanenten Revolution entspricht, die nicht mit der Trotzkis verwechselt werden darf. Auch die Arbeit von Parlamentariern in Demokratien ist ein Selbstzweck, nämlich die Demokratie. Auch hier fallen Weg und Ziel zusammen. Weitere Beispiele sind die Jahrzehnte und Jahrhunderte andauernde Kriege zwischen islamischen Ländern, bei denen kein Ziel erkennbar, bzw. das Ziel der Kriege verloren gegangen ist. Doch meistens lässt sich der Weg gut vom Ziel unterscheiden, vor allem, wenn das beabsichtigte Ziel erreicht wird.
Es gibt jedoch Situationen, in denen im Nachhinein trotz Erreichen eines Zieles dieses Ziel verleugnet (vergessen) wird, so weil es unangenehme Erinnerungen weckt. Solche Situationen treten bei Einzelpersonen auf, jedoch auch oft in der breiten Masse. Eine solche Situation beschreibt die Schlacht im Hürtgenwald, die über drei Monate vom 19. November 1944 bis zum 8. Februar 1945 andauert. 30.000 Menschen, alliierte und Deutsche, müssen sinnlos sterben.
Der Hürtgenwald liegt in der Nordeifel. Die Amerikaner nehmen bereits Ende Oktober 1944 die Grenzstadt Aachen ein. Der südlich von Aachen gelegene Hürtgenwald sollte schnell erobert werden, damit die amerikanischen Soldaten und ihre Verbündeten weiter westlich liegende Teile Deutschlands vom Nationalsozialismus befreien können. Von der Landung der Alliierten in der Normandie am 6. Juni 1944 bis zur Befreiung Aachens benötigen die Alliierten nur vier Monate. Beinahe soviel Zeit benötigen die Alliierten, um den kleinen Hürtgenwald zu erobern. Die Schlachten erforderten auf beiden Seiten viele Tote.
Seit vielen Jahren wird in der Nordeifel der Schlacht im Hürtgenwald gedacht. Überlebende Soldaten beider Seiten und ihre Angehörigen werden eingeladen. Die heutige militärische Zusammenarbeit zwischen den USA und Deutschland wird hervorgehoben und versprochen, dass niemals wieder ein Krieg im Hürtgenwald oder anderswo zwischen den Verbündeten stattfinden wird. Doch niemand auf deutscher Seite hat sich bisher offiziell überlegt, warum so viele Deutsche den Hürtgenwald derart sinnlos verteidigt haben. Dass der Krieg verloren gewesen ist, sollte den Verteidigern des NS-Regimes klar gewesen sein. Nach dem Krieg werden die Überlebenden auf beiden Seiten Freunde. Warum also die sinnlose und todbringende Verteidigung des Hürtgenwalds?
Der Befehl, die Alliierten im Hürtgenwald aufzuhalten, kommt aus Berlin, von Hitler persönlich. Auch Hitler weiß, dass der Krieg bereits verloren ist. Trotzdem verlangt er von den Soldaten zu sterben, um den Krieg zu verlängern. Was ist der Grund für die Kriegsverlängerung? Das Leben der Soldaten und Zivilisten, ob Deutsche oder Amerikaner, ist dem Führer gleichgültig. Kapitulation kommt nicht in Frage, obwohl sie Monate später dennoch geschieht. Ist die Spitze der Wehrmacht irre? Kuscht sie vor Hitler, obwohl er jegliche Macht und jeglichen Einfluss auf den Kriegsverlauf verloren hat?
Die Frage muss man anders angehen, um sie zu beantworten: Warum hat Hitler den Krieg überhaupt geführt? Das Sudetenland, Österreich und einige weitere Gebiete hat er ohne einen einzigen Schuss von den westlichen Mächten erhalten. Doch Hitler wollte das Sudetenland nicht „geschenkt“ bekommen. Er wollte kämpfen, er wollte den Krieg! Warum?
Für Hitler ist der Krieg der Weg zur Ausrottung der europäischen, nordafrikanischen und vorderasiatischen Juden. Das Ziel ist der Holocaust. Der Krieg gegen den Osten ist wichtig, da die meisten Juden in Polen, in Weißrussland und in der Ukraine leben. Zuerst Polen und dann dem verbündeten Russland werden der Krieg erklärt, hauptsächlich um Juden zu ermorden. „Lebensraum“ im Osten sollte nicht zwischen Moskau und dem Ural so weit im Osten entstehen, sondern hauptsächlich im Westen Polens. Der Afrikafeldzug soll die Juden Nordafrikas bis zum britischen Mandat Palästina töten. Das letztere gelingt nicht, da Rommel in Ägypten geschlagen wird. Auch die westeuropäischen Juden leiden unter Hitlers militärischer Besatzung. Auch sie werden im Osten bestialisch ermordet.
Der Holocaust, die Ermordung von 6 Millionen Juden, findet in Vernichtungslagern statt, die sich hauptsächlich im Osten nahe jüdischer Siedlungsgebiete befinden. Auch westeuropäische Juden werden dorthin verfrachtet, um dort zu sterben. Als Hitlers Armee nach der Niederlage von Stalingrad sich zurückzieht, läuft die Ermordung in den östlichen Vernichtungslagern planmäßig weiter. Züge, die die Soldaten der Reichswehr Richtung Westen zum Aufbau einer neuen Front transportieren, müssen auf Abstellgleisen warten, wenn ein Judentransport zu einem Vernichtungslager durchfährt. Judentransporte haben immer Vorfahrt! Denn der Krieg ist nur der Weg, das Ziel ist die Judenvernichtung.
Deshalb verlangt Hitler den sinnlosen Widerstand von deutschen Soldaten und Kindern gegen die Alliierten. Auf beiden Seiten kommen 30.000 Menschen zu Tode, um die Ermordung von Juden im Osten zu ermöglichen. Die Abwehrmaßnahmen der Deutschen führen dazu, dass sich der Krieg deutlich verlängert. Die Konsequenz: In den Vernichtungslagern werden einige Monate länger Menschen gequält und vernichtet.
Dass auch Deutsche dafür sterben, ist Hitler egal. Er liebt nicht die Deutschen – er hasst die Juden.