Eine Geschichte aus der nahen Zukunft
Bis zum Ende des denkwürdigen Jahres 2017, in welchem die Reformation Luthers den 500. und die Oktoberrevolution Lenins den 100. Geburtstag feiert, wollen die Koalitionäre von CDU, CSU, FDP und Grünen die scheckige Koalition „Jamaika“ absegnen. Die Parteien geben vor, kaum gemeinsame Ziele zu verfolgen. Doch dies ist eine Falschnachricht. Die Parteien verfolgen alle dasselbe Ziel: Sie wollen an der Herrschaft teilhaben.
[Der wichtige Unterschied zwischen Luther und Lenin besteht darin, dass Lenin nicht dazu aufgerufen hat, Juden wahllos zu ermorden. Ein rassistischer Herrscher in Russland ist deshalb unvorstellbar.]
Vor über einem Jahr sticht eine Expedition hochgeachteter westeuropäischer und nordamerikanischer Ethnologen (Völkerkundler) in See, um auf unerforschte Inseln Indonesiens übersehene kleine Völker zu erkunden. Sie werden bald fündig. Das erste Zusammentreffen zwischen Völkerkundlern und Einheimischen auf einer kleinen baumlosen Anhöhe unweit des Meeresstrandes verläuft hochdramatisch. Die Wilden greifen die Zivilisierten an und verletzen einen deutschen Forscher lebensgefährlich. Der deutsche Forscher wird auf der Insel begraben und erhält in der Heimat posthum das Verdienstkreuz Erster Klasse, welches über die linke Brust getragen wird.
Nach der Attacke werden die Forscher vorsichtig. Nach wenigen Tagen stellen sie fest, dass die kleine Insel von vier oder fünf Stämmen bewohnt wird, von denen ein Stamm – derjenige, der den Forscher tödlich verletzt hat – sich aus Menschenfressern zusammensetzt. Die übrigen Inselwilden, die kein Menschenfleisch essen, mögen die Menschenfresser nicht und vertrauen den zivilisierten Forschern an, dass sie beabsichtigen, gemeinsam gegen die Menschenfresser vorzugehen, um die Plage auszurotten. Die zivilisierten Opfer interpretieren dieses Vorgehen gutmenschlich richtig als Völkermord, welcher es somit mit allen Mitteln zu verhindern gilt. Sie werden mit den nicht-menschenfressenden Wilden mit Hilfe einer großen Menge bunter Glitzerperlen handelseinig, die Menschenfresser nicht zu töten, sondern nur zu fesseln und anschließend aufs Schiff zu bringen. Bis auf einige getötete Menschenfresser gelingt das Vorhaben wie vorgesehen, sodass die Wilden die wertlosen Glitzerperlen behalten dürfen.
Von See aus melden sich die Forscher bei ihrer deutschen Zentrale. Noch auf See erhält die zuständige deutsche Behörde einen Antrag auf Asyl, da die Menschenfresser aufgrund kultureller Eigenheiten von den übrigen Stämmen, also staatlicherseits, verfolgt und getötet werden. Die zuständigen deutschen Behörden sehen den Tatbestand des Genozids erfüllt und vergeben noch auf hoher See die Asylbescheide an alle 46 Überlebenden des Oger-Stammes.
Während der Überfahrt werden die Oger – die zivilisierten Forscher verleihen den Kannibalen einen unauffälligen Namen – mit Kaninchenfleisch gefüttert, da Kaninchenfleisch viele geschmackliche Gemeinsamkeiten mit Menschenfleisch aufweist. Sofort nach der Landung in Deutschland werden die Oger der Polizei übergeben mit dem Auftrag, den Oger erst kurz vor der Ankunft, jedoch auf jeden Fall außer Sichtweite des übernehmenden Flüchtlingsheimes, die Fuß- und Handschellen abzunehmen. Der Flüchtlingsheimleitung wird bei der Ankunft spät nachts nur mitgeteilt, dass die Neuankömmlinge unter sich bleiben wollen.
Später wird die Flüchtlingsheimleitung zu Protokoll geben, dass die Neuen lustlos das Frühstück kauen. Beim Mittagessen verschmähen sie die Gemüsebeilagen und schlingen mit Widerwillen das Halal-Fleisch herunter, was nicht weiter auffällt. Zum Abendessen seien die Oger nicht mehr gekommen. Drei Tage später teilen syrische Flüchtlinge der Heimleitung mit, dass drei etwas dickliche Syrer verschwunden seien. Die Heimleitung beschließt, diesen Vorfall erst nach frühestens einer Woche zu dokumentieren, da die Zahlungen nach der Anzahl der gemeldeten Flüchtlinge erfolgt. Zwei Tage später beschwert sich erneut eine syrische Delegation, dass nun auch drei wohlgenährte syrische Kinder unauffindbar sind. Diesmal wird der Vorfall sofort in den entsprechenden Akten dokumentiert und die Polizei gerufen. Die Polizei findet am Rande des Flüchtlingsgeländes zwischen dem gut erhaltenen Drahtzaun und einem verkrüppelten Baum unbestimmbarer Art saubere und frische menschliche Knochen, an denen kein Fleisch klebt. Als sich dies im Flüchtlingsheim herumspricht, verlassen außer den Oger alle Flüchtlinge fluchtartig das Flüchtlingsheim.
Da Polizei und Flüchtlingsheimleitung nicht über die Kannibalen informiert sind, wird Jahre später ein parlamentarischer Ausschuss mit der Mehrheit der Jamaika-Stimmen festlegen, dass dies an der fehlerhaften digitalen Weiterleitung gelegen ist, was auch Jahre später immer noch glaubhaft klingt. Die Flüchtlingsheimleitung mit Personal wird komplett ausgetauscht, das Personal bewaffnet und das Heim für weitere Flüchtlinge gesperrt. Eine geheime Jamaika-Kommission aus Berlin beschließt, über das weitere Vorgehen erst nach einer eventuellen Jamaika-Koalition zu debattieren. Nach vielen Rückschlägen, die beinahe das Aus für die Jamaika-Koalition bedeuten und nur auf Druck der geheimen Oger-Jamaika-Kommission zustande kommt, indem sie mit Offenlegung droht, wird die Jamaika-Koalition Mitte Februar 2018 ratifiziert. Bereits im März berät die Oger-Kommission über das weitere Vorgehen.
Letztendlich scheinen sich die Oger mit dem Kaninchenfleisch anzufreunden. Eine Rückführung der Oger nach Indonesien wird von der Kommission aus verfassungsrechtlichen Gründen abgelehnt. Eine Wiederaufnahme der Anthropophagie (Kannibalismus) kann jedoch wissenschaftlich nicht sicher ausgeschlossen werden, was einer gelungenen Integration nach deutschen Vorstellungen nicht vollkommen entspricht. Die geheime Oger-Kommission sucht nach Beispielen und wird im Mindener Land fündig. Dort wird ein muslimischer Kulturverein, der der terroristischen Hisbollah sehr nahe steht, bereits seit Jahren beobachtet. Die auch von Deutschland als Terrororganisation anerkannte libanesische Hisbollah (arab: Partei Gottes/Allahs) ruft öffentlich und weltweit zur Ermordung von Juden auf. Der NRW-Verfassungsschutz sieht auch die Gefahr einer Auseinandersetzung mit Schusswaffen zwischen der zunehmenden Zahl von Schiiten und Sunniten in Deutschland. Dies reicht jedoch verfassungsmäßig nicht aus, den Terrorverein zu schließen oder zu verbieten.
Die BRD bestreitet nicht, dass Juden in Deutschland durch den Hisbollah-Terrorverein gefährdet sind, genauer: vom Tode bedroht sind. Doch dies ist für die höchsten Gerichte der BRD und der EU kein hinreichender Grund, die Hisbollah-Organisation zu verbieten. Die Verfassungswirklichkeit steht über dem Recht auf Unversehrtheit für Juden! Somit steht die Verfassungswirklichkeit auch über dem Recht auf Unversehrtheit für Nicht-Oger!
Die Oger-Kommission beschließt einstimmig, die Oger unweit der Hisbollah-Hochburg in Westfalen anzusiedeln und zu beobachten. Die geheime Oger-Kommission beschließt, einmal jährlich zusammenzukommen, um auf dem Laufenden zu bleiben. In einem geheimen Zusatzprotokoll wird ausgelotet, ob sich Oger und Hisbollah gegenseitig in Schach halten. Eine erneute Expedition nach Indonesien wird in Angriff genommen.