Das Buch berichtet über die Begegnung des deutschen Bundeskanzlers Helmut Schmidt mit dem ägyptischen Präsidenten Anwar as-Sadat. Die Begegnung findet auf dem Nil im Dezember 1977 anlässlich eines Staatsbesuches statt, einen Monat nach Sadats historischer Reise nach Jerusalem, der Hauptstadt Israels und dem Sitz des israelischen Parlaments.
Karl-Josef Kuschel:
Dass wir alle Kinder Abrahams sind …
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Helmut Schmidt begegnet Anwar as-Sadat. Ein Religionsgespräch auf dem Nil
Patmos Verlag; Auflage: 17. September 2018
ISBN-10: 9783843610964
240 Seiten; 25 €
Zum guten Verständnis des Nahen Ostens ist dieses Buch unverzichtbar. Der Leser taucht in eine Welt ein, die er nicht – oder kaum - kennt. Das Buch liest sich angenehm. Die Hauptkapitel sind in zahlreichen Unterkapiteln unterteilt, was das Nachschlagen erleichtert. Spezielle Vorkenntnisse der monotheistischen Religionen sind nicht unbedingt erforderlich. Der Autor ist ein emeritierter Professor der Theologie, der die Kunst der Didaktik ausgezeichnet beherrscht. Das Buch gibt die Ideen Helmut Schmidts an, die er von seinem Freund Sadat übernimmt.
Viele Punkte sind einer gesonderten Erwähnung wert.
Die monotheistischen Weltreligionen verfügen wegen gemeinsamer Wurzeln und Werte über das Potential zum Weltfrieden. Nicht einmal in der Theorie stimmt diese Behauptung.
Alle drei monotheistische Weltreligionen haben ihre Offenbarung am Berg Sinai erfahren. Zumindest für das Judentum trifft dies zu. Bereits beim Christentum sind Zweifel erlaubt. Beim Islam trifft dies sicher nicht zu. Ägypten ist ein muslimisches Land, die Halbinsel Sinai mit dem gleichnamigen Berg gehört zum ägyptischen Staatsgebiet. Hier wird „Ägypten“ mit „islam“ gleichgesetzt. Zudem ist nach der Tora nicht bekannt, welcher der wahre Berg der Offenbarung ist.
Folgende Botschaft bringt Helmut Schmidt von seiner Begegnung mit Sadat mit:
Die Gemeinsamkeiten unseres Glaubens an den einen Gott wird den Frieden zwischen allen drei Religionen ermöglichen.
Zwar glauben alle monotheistische an einem Gott, jedoch nicht zwangsweise an den selben. Die Charaktere der drei Götter sind zu unterschiedlich, von den Familienverhältnissen nicht zu sprechen. Am ähnlichsten sind sich der jüdische und der islamische Gott, obwohl der Islam keine jüdische, sondern eine christliche antitrinitarische Folgereligion ist.
In einem Zeitungsinterview gesteht Helmut Schmidt, nicht an Gott oder an die göttliche Gerechtigkeit zu glauben. Das erklärt seine Unwissenheit über Religionen.
Der Bundeskanzler ist der Meinung, dass die Deutschen die ersten Opfers Hitlers gewesen sind. Wie fassen die Polen dieses Statement auf?
Schmidt betont, dass Sadat um des Friedens willen bereit ist, nach Jerusalem in die Hauptstadt Israels zu gehen. Warum sich Deutschland (und Ägypten) bis heute weigern, Jerusalem als Israels Hauptstadt anzuerkennen, wird nicht erklärt.
Auszüge aus Sadats Rede in der Knesset, dem israelischen Parlament in der israelischen Hauptstadt Jerusalem:
- Jerusalem ist die Stadt des Friedens: Jerusalem ist die Stadt der Kriege. Die Endung „salem“ bedeutet nicht Friede, sondern ist der Name eines vor-davidischen Fürsten oder eines kanaanitischen Gottes.
- Jerusalem garantiert die Koexistenz der drei Religionen: Von einer „Koexistenz“ sollte man nicht sprechen. Man ist schon froh, wenn sich die drei nicht bekriegen. Zudem ist nach jüdischem Verständnis Jerusalem für alle Religionen da, nicht nur für Judentum, Christentum und Islam!
- Jerusalem soll eine freie und offene Stadt für alle Gläubigen sein: Unter „Gläubigen“ verstehen Muslime nur sich selbst. Bis zum siegreichen Sechs-Tage-Krieg 1967 dürfen Juden ihre heiligen Stätte in Jerusalem nicht betreten. Noch heute hindert eine islamische Stiftung Juden daran, den Tempelberg zu Jerusalem zu betreten.
- Die Heiligen Stätten des Islam und der Christenheit sind lebendiges Zeugnis der ununterbrochenen Anwesenheit in Jerusalem: Jüdische Stätten sind davon ausgeschlossen.
Syrien verurteilt den Friedens-Schritt Sadats. Man spricht von Dolchstoß und dass Sadat die Palästinenser für eine Handvoll Sand verraten hat. Damals vermutete man große Erdölvorkommen auf dem Sinai.
Als erster arabischer Führer begrüßt Sadat die Juden, die in Israel leben. Er sichert ihnen absolute Sicherheit zu, die er nicht garantieren kann.
Helmut Schmidt unterstellt weltweit Christen, Juden und Muslimen, die gemeinsamen historischen Ursprünge der Religionen nicht zu kennen. Es ist davon auszugehen, dass er selber die Gemeinsamkeiten von den Unterschieden nicht trennen kann.
Christentum und Islam beanspruchen jeweils einen Alleinvertretungsanspruch, nicht jedoch das Judentum. Das hängt damit zusammen, dass die ersten Christen und Muslime mittels Konversion zu ihrer neuen Religion angehalten worden sind, während die Juden niemals missioniert worden sind, da das Judentum ihre genuine Religion ist. Juden missionieren auch nicht.
Helmut Schmidt schlägt vor, sich mit Muslimen über Religion zu unterhalten und zu diskutieren.
Helmut Schmidt hebt hervor, dass Geburtenregelungen das dringende Gebot einer Weltfriedenspolitik sind. Der Katholizismus und der Islam verbieten sie. Die Zahl der Juden ist derart klein, dass sie keinen Einfluss auf die Weltbevölkerung ausübt. Sollte H.S. mit seiner Forderung Recht haben, dann ist eine Weltfriedenspolitik illusorisch.
H.S. sagt, dass alle monotheistischen Religionen das Verbot des Mordens der jüdischen Zehn Gebote befolgen. Ein solches Gebot ist im Christentum nicht vorhanden. Dort heißt es: Du sollst nicht töten! Auch steht in den originären jüdischen Zehn Geboten nicht die Weisung: Du sollst nicht lügen!