Der NATO-Luftwaffenstützpunkt Incirlik liegt 12 Kilometer östlich von der Stadt Adana unweit der syrischen Grenze im Süden der Türkei. Eigentümer des Stützpunktes ist die türkische Luftwaffe. Intensiv wird der Luftwaffenstützpunkt Incirlik von der United States Air Force (USAF) benutzt. Neben der deutschen Luftwaffe, die sich mit Luftaufklärung am Krieg um Syrien beteiligt, sollen dort 90 NATO-Atomwaffen lagern.
Die Bundeswehr ist eine Parlamentsarmee. Parlamentsarmeen sind solche Streitkräfte, deren Einsätze ausdrücklich durch ein Parlament genehmigt werden müssen. Deshalb haben nach deutscher Auffassung Vertreter des Bundestages das Recht, die Bundeswehr aufzusuchen.
Die türkische Armee ist keine Parlamentsarmee.
Nun hat die Türkei, genauer: Erdogan, Delegationen des Deutschen Bundestages des öfteren den Zugang zum Luftwaffenstützpunkt Incirlik versperrt. Dies geschieht, um den Deutschen zu zeigen, dass Erdogan verstimmt ist, so wenn er in Deutschland nicht öffentlich zu seinen türkischen Untertanen in Deutschland frei und unzensiert sprechen darf, wenn der Bundestag den Aufstand der Armenier gegen die Türken als Völkermord an den Armeniern uminterpretiert oder wenn türkische Militärs mit Diplomatenpass Asyl in Deutschland erhalten, weil Erdogan in ihnen terroristische Gülen-Anhänger sieht, die den Strang verdienen.
Zum letzten Punkt muss man anmerken, dass dies eine diplomatische Ohrfeige in Richtung Erdogan ist. Die deutsche Bundesregierung hätte andere Lösungen suchen und finden können als so einen öffentlichkeitswirksamen Affront. Wer nun meint, dass die bürokratischen Asylentscheider demokratisch und frei von Einmischungen von außen urteilen können, hat das Wesen der real existierenden Demokratie nicht erfasst.
Die wirtschaftliche Großmacht NATO-Deutschland fühlt sich verpflichtet, am Krieg um Syrien teilzunehmen. Wegen den zwei Weltkriegen, die Deutschland beide verloren hat, verspürt die Bundeskanzlerin große Bedenken gegen den direkten Einsatz kämpfender Soldaten. Luftaufklärung wird gerade noch toleriert. Somit braucht Deutschland den NATO-Luftwaffenstützpunkt Incirlik mehr als die Türkei deutsche Soldaten benötigt, auch wenn die Bundeswehr für die Benutzung des Stützpunktes eine erkleckliche Summe an den türkischen Staat überweist und Erdogan zum Machterhalt auf Devisen angewiesen ist, die in der Türkei Dank Populismus rar werden. Erdogan betrachtet den militärischen Einsatz von Incirlik aus mit gemischten Gefühlen. Er sieht in den gegen den Islamischen Staat kämpfenden und mit den USA verbündeten Kurden eine größere Gefahr für sein Wohlergehen als in den IS, den er vorgibt zu bekämpfen. Erdogan würde sich freuen, wenn die deutschen Luftaufklärer die Türkei verlassen würden.
Diplomatisch geschickt ist es bisher der Bundeskanzlerin gelungen, die Wogen zwischen der deutschen Luftwaffe mit den dazugehörigen Bundestagsabgeordneten und dem türkischen Diktator zu glätten. So erklärt Frau Merkel öffentlich und ohne rot zu werden, dass Beschlüsse des Bundestages wie die Verurteilung des türkischen (osmanischen) Genozids an den Armeniern für die Bundesregierung nicht bindend sind. Da die Mehrheit der Abgeordneten in der Großen Koalition stramm hinter der Bundeskanzlerin stehen (müssen, so sie wiedergewählt werden wollen), vernimmt man von diesen Abgeordneten nicht das leiseste Murren, als sie sich die Merkelsche Spucke vom Gesicht wischen. Dabei ist Erdogan im Recht, was den Zugang zum NATO-Luftwaffenstützpunkt Incirlik angeht. Er hat keinerlei Verpflichtungen, fremde und ihm unangenehme Parlamentarier auf türkischem Territorium aufzunehmen. Ist es die Schuld Erdogans, dass die Bundeswehr eine Parlamentsarmee ist? Soll man sie doch entparlamentarisieren! Morgen wird der reiche Gülen, der in den USA residiert, mit Trumps Hilfe die United States Air Force aufkaufen! Hätte dann Erdogans most wanted Todfeind somit das Recht, seinen Fuß auf türkischen Boden zu setzen und unbeschadet die Türkei anschließend zu verlassen? Sieht man sich die aktuelle Bundeswehr in Deutschland an, so gewinnt man nicht den Eindruck, dass irgendwelche Bundestagsabgeordnete sich für sie groß interessieren.
Am lautesten fordern die Bundestagsabgeordnete der Opposition den Zugang zu Incirlik. Ihnen geht es darum, die Bundesregierung zu ärgern, der Bundeswehr zu schaden und die NATO zu spalten, alles unter dem Vorwand der Rechtmäßigkeit. Ein Trauerspiel!
Im kindischen Streit zwischen den NATO-Türken und den NATO-Deutschen verhält sich die NATO folgerichtig neutral. Deutschland bemüht sich um ein Ausweichquartier in Jordanien für seine Luftaufklärung. Die Millionen, die der Umzug kostet, zahlen ja nicht die Abgeordneten, sondern der Steuerzahler. Aus diesem Grund tragen Abgeordnete den Beinamen „Volksvertreter“. Die erloschene Lichtgestalt der SPD macht pädagogisch ausgezeichnet vor, wie weit man mit klebrigen Fingern unbeschadet vorwärts kommt.
Jordanien ist ein semi-demokratisches Land. Ein saudischer König herrscht dort über ein mehrheitlich lokales, palästinensisch genanntes Volk, welches ihn hasst. Sollte sich der deutsche Luftaufklärungsstützpunkt in Jordanien realisieren, dann erwirbt Deutschland einen militärischen Stützpunkt im Nahen Osten, wo es jeden Tag zu einem politischen, nationalen und religiösen Umsturz kommen kann. Dann werden sich die dort stationierten Soldaten wünschen, im sicheren und ruhigen Incirlik geblieben zu sein. Die Bundestagsabgeordneten, die sich einst für die Parlamentsarmee eingesetzt haben, werden verstummen und unauffindbar sein. Und Merkel wird mangels einer besseren Alternative erneut zur Kanzlerin gewählt werden.
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