Eine langjährige SPD-Bundestagsabgeordnete erfindet wichtige Teile ihres Lebenslaufes. Darunter fallen das Abitur, das Jura-Studium und die bestandenen Juristischen Staatsexamina. Sie lässt über ihren Anwalt erklären, dass sie heute nicht mehr weiß, warum sie seinerzeit falsche Angabe gemacht hat.
Nun ja, der Grund ist schlicht. Sie macht die falschen Angaben, weil sie keine echten Angaben machen kann. Wer erfahren will, warum sie Abitur, Jura-Studium und die Juristischen Staatsexamina erschwindelt hat, möge den „Hauptmann von Köpenick“ lesen. Falsche Angaben werden gemacht, um etwas zu erreichen, was ohne diese Angaben nicht möglich ist, und weil in Deutschland Titel und Uniformen mehr als Personen zählen.
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Man darf die langjährige SPD-Bundestagsabgeordnete somit als Hochstaplerin bezeichnen.
Vor Kurzem wird in Berlin ein Prozess gegen einen Krankenpfleger eröffnet, der sich als Arzt ausgibt. Er arbeitet als falscher Arzt in der Organtransplantation, anschließend behandelt er Passagiere auf einem Kreuzfahrtschiff.
Warum er sich als Arzt ausgibt? Weil er kein Arzt ist, aber gerne ein Arzt wäre: Geld, Ansehen, Ruhm ... Mit anderen Worten: Auch er ist ein Hochstapler.
Ob der falsche Arzt oder der falsche Jurist gefährlicher ist, wenn sie auf die Menschheit losgelassen werden, mag jeder selber entscheiden. Ein schlechter Architekt, der nicht einmal falsch zu sein braucht, hinterlässt tiefere Spuren.
Beschränken wir uns auf den falschen Arzt. Wenn er ohne Diplome praktiziert hat, droht ihm eine Bestrafung wegen Körperverletzung. Jeder Eingriff in den menschlichen Körper, ob Darmspülung oder Bauchschnitt, verlangt nach einer Aufklärung durch einen hierfür zugelassenen Arzt, auch wenn die Aufklärung in der realen Arztpraxis oft durch das medizinische Hilfspersonal erfolgt oder ganz unterbleibt. Zum anderen braucht der Arzt das staatliche Diplom, um den Eingriff durchzuführen. Nur ein falscher Pathologe entgeht zuweilen einer Anklage.
Bei einem solchen „Arzt“-Prozess kommt es zu Interessenkonflikten. Der falsche Arzt legt wenig Wert auf Publicity und auf einer hohen Strafe. Das Krankenhaus, welches den falschen Arzt eingestellt hat, ist jeglicher Publicity abgeneigt und somit bereit, auf finanzielle Forderungen zu verzichten. Die geschädigten Patienten müssen beruhigt werden, damit sie nicht prozessieren. Ein Richter, der frei und gemäß seines Wissens und Gewissens Recht spricht, ist nicht frei von gesellschaftlichen Abhängigkeiten, vor allem nicht in kleinen Städten, denen das Krankenhaus gehört. Absprachen vor Prozessbeginn zwischen Staatsanwaltschaft (Kläger) und Verteidiger sind in Deutschland üblich und nicht verboten.
Die Dürener Zeitung DZ schreibt wortwörtlich am Mittwoch, 13. Juli 2016 auf der Seite 10 in großen Lettern:
Prozess ohne Zeugen, Urteil in rasender Eile: Milde Strafe für den falschen Arzt von Düren. Das Gericht glaubt ihm jedes Wort seines Geständnisses.
Es folgt ein Auszug aus dem Artikel:
Ein Prozess, in dem wenig zu verstehen ist. Man hätte den falschen Arzt bitten können, langsamer und lauter zu sprechen, aber der Richterin ist es offenbar nicht wichtig, dass jeder der Besucher und Journalisten in Saal 107 des Dürener Amtsgerichts der Verhandlung folgen kann. Als einer der Schöffen die Richterin darauf hinweist, dass große Teile des Publikums Probleme haben, dem Geständnis des Angeklagten zu folgen, mahnt sie den Schöffen mit einer abfälligen Handbewegung zur Ruhe.
Eine Journalistin sagt nach der Urteilsverkündung: „Das war eine Sitzung unter Ausschluss der Öffentlichkeit.“
Der Angeklagte wird 1975 in Afghanistan geboren und kommt als Kind mit seiner Familie nach Deutschland. Vater und Onkel sind renommierte Ärzte, die von ihm erwarten, dass auch er Arzt wird. Nach dem Abitur studiert er zunächst Sport, dann Medizin. Er nimmt am Medizinstudium teil, ohne irgendeines der drei Staatsexamina zu bestehen. Nebenbei bemerkt er, dass ihm zwei unwichtige Scheine fehlen.
Er fälscht diese beiden Scheine und meldet sich zum 3. (?) Medizin-Examen an. Als der Schwindel auffliegt, wird er aus der Medizinischen Fakultät der Universität Bonn exmatrikuliert. Da er nicht zum Abschlussexamen zugelassen wird, fälscht er das Examenszeugnis „ohne großen Aufwand“. Mit dem gut (?) gefälschten Examenszeugnis erhält er die Approbationsurkunde von der Ärztekammer Köln.
Zeugen und Sachverständige, die etwas darüber hätten aussagen können, ob sich das alles tatsächlich so zugetragen hat oder haben könnte, werden weder von der Staatsanwaltschaft, noch vom Gericht gehört. Der aufsehende Prozess ist innerhalb von zwei Stunden beendet.
Der „falscher Arzt von Düren“ wird in Windeseile zu einer milden Bewährungsstrafe von 22 Monaten verurteilt, damit er bei einer Strafe von weniger als zwei Jahren nicht in den Knast wandert. Ihm werden 336 Fälle von Körperverletzung und das Fälschen einer behördlichen Urkunde vorgeworfen. Der Rest ist verjährt. Er arbeitet beinahe sechs Jahre am Krankenhaus Düren als Chirurg, ohne ein Medizinstudium absolviert zu haben, und nimmt an Hunderten Operationen teil. 336 dieser Operationen wertet die Staatsanwaltschaft als Körperverletzung. Die Richterin und die Staatsanwältin schenken den für das Publikum größtenteils unverständlichen/unhörbaren Aussagen des Angeklagten vollen Glauben.
Auszüge aus dem Urteil:
Der falsche Arzt arbeite seit 2006 zunächst an einer Klinik in Köln, ab Ende 2009 in Düren. Nicht einmal seine Frau ahnt, dass er kein Arzt ist. Da er seine Familie (Frau, drei Kinder) finanziell unterhalten muss, fehlt ihm die Zeit, die notwendigen Examina nachzuholen. Zusätzlich fälscht er zwei Doktortitel für Medizin und Sportwissenschaften, was die Richterin in ihrem hastig vorgetragenen Urteil veranlasst, ihn als „keinen klassischen Hochstapler“ anzusehen, da er seine medizinische Ausbildung „nahezu abgeschlossen“ habe – auch wenn er kein einziges der drei Staatsexamen absolviert hat. Während seiner Zeit am Krankenhaus Düren soll sich nie ein Patient über seine Arbeit beschwert haben.
Das Krankenhaus einigt sich mit dem falschem Arzt auf einen Vergleich.
Ein kleiner Teil (45 000 €) seines Gehalts als Arzt in Düren (500 000 € über sechs Jahren) wird von seiner reichen Familie zurückbezahlt.
Der Verteidiger hält es für eher unwahrscheinlich, dass sein Mandant in Zukunft noch einmal als Arzt tätig wird. Die Staatsanwältin hält eine Arbeitsaufnahme als Arzt in Afghanistan für möglich, eventuell ratsam. Ein renommierter Strafrichter aus NRW hält die Prozessführung für „wenig seriös“ und erklärt: „In einem öffentlichen Prozess sollte jeder im Saal alles hören können.“ Auch die Tatsache, dass kein einziger Zeuge geladen war, sei zwar nicht angreifbar, aber in einem solch öffentlichkeitswirksamen Fall „zumindest sehr ungewöhnlich“.
Ein Richter am Amtsgericht Düren schreibt folgenden Leserbrief:
Der angeklagte „Arzt“ hat nicht zu leise gesprochen. Die Öffentlichkeit des Verfahrens war zu keinem Zeitpunkt in Frage gestellt. Sowohl unser Direktor als auch mein Praktikant waren bei der Verhandlung unter den Zuschauern zugegen, und beide haben mir glaubhaft versichert, alles gut verstanden zu haben.
Wie erfreulich, dass Juristen einen Gerichtsprozess mühelos verfolgen können. Der Leserbriefschreiber selber ist nicht am Prozess zugegen gewesen. Wozu auch? Sein Praktikant berichtet ihm, was er verstanden hat.
PS:
Niemand weiß, wie mit den vom falschen Arzt operierten Patienten des Dürener Krankenhauses umgegangen wird. Diese Patienten können auf Körperverletzung klagen, selbst wenn die Operation erfolgreich verlaufen ist. Daran können das Dürener Krankenhaus und die Stadt Düren nicht interessiert sein. Erstens fürchten sie die Publicity, zweitens wird dies einen hohen finanziellen Verlust für das Dürener Krankenhaus bedeuten. Denn schließlich hat das Krankenhaus den falschen Arzt eingestellt (und bezahlt!).
Dieser Punkt wird während des Prozesses nicht besprochen – oder nicht vernommen.