Religion und Ideologie unterscheiden sich in wesentlichen Punkten, verfügen jedoch über viele Gemeinsamkeiten. Religion kann als jenseitige Ideologie bezeichnet werden, wohingegen eine Ideologie keinesfalls auf Jenseitsgedanken verzichten muss. So verspricht der Kommunismus paradiesische Zustände bereits im Diesseits. Religionen versprechen dies auch, jedoch erst nach dem Großereignis des Jüngsten Gerichts oder des Weltuntergangs.

Beide, Religion und Ideologie, sind menschengemachte Denkgebäude. Religionsbegründer geben in Narrativen gewöhnlich an, die später in heiligen Büchern redigiert werden, dass eine göttliche Transzendenz ihnen das später niedergeschriebene Wissen (= Offenbarung) direkt oder über bekannte Erzengel übergeben haben. Jahrhunderte später wird dieses Wissen als heilige Bücher von einer Unzahl von Theologen herausgegeben, die über Generationen daran gearbeitet haben und nun offen behaupten, den Geist Gottes bei ihrer heiligen Arbeit verspürt zu haben. Selbstverständlich können diese später geheiligten Männer und zuweilen auch Frauen von einer göttlichen Transzendenz während ihrer Arbeit befallen sein, was leider nichts zum Gottesbeweis beiträgt. Hierzu braucht man wissenschaftlich festgelegt eine zweite und unabhängige Quelle, die bei sämtlichen Gottesbeweisen und Offenbarungen bis heute fehlt.

Ideologien hingegen werden von Menschen ausgedacht und als solche angegeben. Wenn sie erfolgreich sind, werden sie von wissenschaftlichen Gremien und Parlamenten abgesegnet. Irgendwann verschwinden alle menschengemachten Ideologien, weil die Zeit nach einer anderen Ideologie drängt. Man kann Ideologien über Jahrzehnte vorsichtig mit menschlichen Mehrheiten modifizieren, um sie am Leben zu erhalten. Doch es ist ihr transzendentes Schicksal, irgendwann in sich zusammen zu brechen und zu verschwinden: Kommunismus, Kaiserreiche, Imperien, etc., etc..

Religionen überleben bedeutend länger als anthropogene Ideologien. Hier rechnet man mit Jahrtausenden. Doch auch die Religion muss sich an die Umgebung anpassen, um nicht zu verschwinden. Die Anpassung erfolgt nicht über eine anthropogene demokratische Mehrheit, weil dies der ursprünglichen Transzendenz widerspricht. Nur Gott kann die heiligen Schriften ergänzen, zuweilen ihren Inhalt ändern oder ganz erneuern. Solche Ereignisse sind selten, auch wenn sie heute noch sporadisch auftreten: Joseph Smith, Mirza Ghulam Ahmad, Bobby Henderson.

Die Religionen haben einen anderen Weg gefunden, sich an die Zeit und die Umgebung anzupassen, ohne ihre heiligen Schriften umzuschreiben: die Exegese. „ Exegese“ ist die menschliche Deutung des göttlichen Wortes. So ist die vollzogene männliche Homosexualität im Judentum ein Grund zur Tötung des aufgefundenen Paares, was in biblischen Zeiten wohl auch ausgeführt worden ist wie etliche Jahrhunderte später im Mittelalter im christlichen Europa. Nach dem Untergang Jerusalems und des Jüdischen Staates verlieren die Juden ihre Eigenstaatlichkeit und können somit keine Todesstrafe vollziehen. Der Verlust der Eigenstaatlichkeit zieht also den Verlust der Todesstrafe nach vollzogener männlichen Homosexualität nach sich. Somit liegt es in Gottes und nicht in jüdischer Menschenhand, die Todesstrafe zu vollziehen oder auch nicht.

Diese Art der Exegese wird auch in der Katholischen Kirche praktiziert, wenn auch weit weniger elegant. Der Vorteil der Exegese für die Religion liegt auf der Hand. Durch Veränderungen an der Deutung entfällt die Umschreibung des Textes! Hier kann keine anthropogene Ideologie mithalten, weshalb sie einen weit kürzeren Lebenszyklus aufweist als die Religion.

Ein weiterer Vorteil der Religion gegenüber der Ideologie liegt darin, dass Moral und Ethik von außerhalb der menschlichen Gesellschaft vorgegeben sind. Die heiligen Schriften sind bekanntlich über Jahrhundert zusammengeschrieben worden und stoßen in diesem langen Zeitraum ihre Kanten und Spitzen an der Realität ab. Religiöse Moral und Ethik sind somit besser der Umgebung angepasst und deshalb gewöhnlich überlebensfähiger als ideologische.

Nun gibt es auch starre Religionen, die es nicht über sich bringen, mit Hilfe einer Exegese sich der Zeit anzupassen. Beispielsweise dürfen in Saudi-Arabien bald Frauen selbstständig Auto fahren, was irgendeinem koranischen Gebot widerspricht. Die Aufhebung des Verbotes in der alltäglichen Praxis Saudi-Arabiens wird par ordre du mufti ohne weitere Erläuterungen durchgesetzt. Wirtschaftlich notwendig ist die Änderung, weil die Erdöleinkünfte Saudi-Arabiens nachlassen, weshalb sich selbst reiche Familien keine eigenen Chauffeure mehr leisten können, die die Frauen zur Stätte ihrer Arbeit fahren. Der Wahhabismus hat als Arbeitsbeschaffungsprogramm ausgedient.

Die Aufhebung des Fahrverbotes ist ein einfacher Vorgang gegenüber anderen Problemen, die der Scharia diametral widersprechen. Als Religion des Friedens verbietet der Islam den Gläubigen andere Gläubige umzubringen (Sure 4:92). Dieses göttliche Verbot wird in Islam dominierten Ländern laufend übertreten, weshalb viele dortige Muslime in sichere christlich und atheistisch geprägten Staaten fliehen. Die Flucht ins ungläubige Ausland ist koranisch erlaubt, weil sie glücklicherweise im Koran nicht verboten ist. Die Koranverfasser haben dies schlicht vergessen oder für undenkbar gehalten.

Wir können zusammenfassen, dass menschliche ideologische Konstrukte, wie Kapitalismus, Liberalismus, Demokratie und Sozialismus in wenigen Jahrzehnten zu Grunde gehen. Das jetzige Deutschland ist erst 1989 entstanden, also keine 30 Jahre alt. Kaiserreich, Weimarer Demokratie, DDR-Sozialismus sind unrettbar verschwunden. Wir wissen nicht, wie lange noch die BRD in ihrer jetzigen Ideologie existieren wird. Auch das Ende der EU ist abzusehen. Andrerseits gibt es genügend Staaten, wie USA, Kanada, Australien und China, die noch Jahrhunderte überdauern könnten, während Russland mit dem Tod Putins aufhören wird zu existieren.

Religionen und Gemeinschaften, die sich durch die Religion definieren, wie Vatikanstadt, Israel, Myanmar, Thailand und eventuell China, haben eine hohe Chance, den Stürmen der Geschichte zu widerstehen. Starre Religionen, die an die Unveränderbarkeit des göttlichen Wortes glauben, welches nicht uminterpretierbar ist, werden vergehen. Dies wird nicht leise, sondern mit einem großen Knall geschehen, den wir schon heute hören. Die Entstehung eines überlebensfähigen weichen Euro-Islams kann nicht mit Sicherheit vorhergesagt werden, ist eher unwahrscheinlich. Es ist deshalb die moralische Aufgabe der europäischen Christen und der europäischen Atheisten, die flüchtenden Muslime von ihrem Glauben zu überzeugen! Die meisten christlichen Protestanten sind dazu nicht mehr in der Lage, denn sie haben ihren Glauben durch Anpassung an anthropogenen Ideologien aufgegeben.

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