2016 fragt ein portugiesischer Fernsehsender den ägyptischen Präsidenten Abdel Fattah as-Sisi, ob sich Ägypten zur Diktatur entwickelt. Der Ex-Feldmarschall und Präsident wiegelte ab:
"In Ägypten gibt es keinen Platz mehr für einen Diktator. Alle vier Jahre wird es einen Machtwechsel geben. Kein Herrscher wird länger an der Macht bleiben können, als es das Gesetz, die Verfassung und der Wille des Volkes erlauben. Das ist die gute Errungenschaft der Revolution."
Knapp zweieinhalb Jahre winkt das Sisi-treue Parlament Verfassungsänderungen durch, die es as-Sisi ermöglichen, bis 2030 Präsident Ägyptens zu bleiben. Die bisherige Verfassung erlaubt maximal zwei Amtsperioden von je vier Jahren.
Bis einschließlich Montag dürfen 61 Millionen wahlberechtigte Ägypter über die Verfassungsänderungen abstimmen, welche nur wenige Tage zuvor vom Parlament gebilligt und vom Präsidenten ratifiziert worden sind. as-Sisi hat es eilig. Die staatstreuen Medien werben für die Gesetzesänderungen, Kritiker kommen nicht zu Wort. Sie werden als Landesverräter beschimpft und bedroht.
Für das Oppositionsbündnis "Zivile Demokratische Bewegung" sind derartige Verfassungsänderungen verfassungswidrig, da sie nicht das Ziel haben, für mehr, sondern für weniger Freiheiten zu sorgen. Das Oppositionsbündnis fordert:
"Alle Bürger Ägyptens, die diesen Verfassungsbruch ablehnen, rufen wir dazu auf, sich dem Angriff auf unsere Verfassung entgegenzustellen. Sie sollen ihre Angst besiegen und beim Referendum mutig mit Nein stimmen."
Doch warum sollen die Bürger ihre Angst besiegen und mutig sein. Die Wahl ist schließlich frei und geheim!
Dazu folgende Begebenheit, sie sich unter dem großen Demokraten Nasser abgespielt hat. Ein kleiner ägyptischer Beamter, der nicht allzu viel verdient, geht zu einer bedeutenden Wahl. Zufällig befindet er sich alleine im Wahlraum, so dass ihn niemand beobachtet. Aus einer Laune heraus wählt er statt des amtierenden Präsidenten den Oppositionsführer. Schnell wirft der den Wahlzettel in die Urne und kehr schnell nach Hause zurück.
Dort angekommen, erzählt er seiner Frau vom mutigen Einsatz. Die Frau ist außer sich. Mann! Die Polizei bekommt alles heraus! Man wird dich ins Gefängnis stecken und foltern! Schlimmer noch: Du wirst deinen Posten verlieren. Ich und die 9 Kinder werden verhungern! Das 10. Kind, welches du dir ersehnst, wird niemals geboren werden! Allahu Akbar!
Nach weiterem Geschrei lenkt der Mann ein. Er kehrt zum Wahlraum zurück, um seine Schuld zurück zu nehmen. Doch diesmal ist ein Polizist anwesend, mit dem er seit Jahren befreundet ist. So verlässt unser Sünder den Wahlraum und kehr sofort zurück. Dies tut er mehrere Male, sodass der Polizist sich genötigt sieht, ihn nach dem Grund seines seltsamen Verhalten zu befragen. Der Polizist weiß, wie man wahre Geständnisse erhält. Schon nach wenigen Minuten gibt unser kleiner ägyptischer Beamter zu, den Falschen gewählt zu haben.
Sein Freund der Polizist bleibt erstaunlich gelassen: Mahmud, wir haben deinen Fehler bereits korrigiert.
Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit wird eine Mehrheit der Wähler den Änderungen zustimmen. Wie viele Ägypter ihre Stimme abgeben, spielt keine Rolle. Beobachter erwarten eine niedrige Beteiligung. Die geänderte Verfassung erlaubt es dem Präsidenten zudem, hohe Richter zu ernennen und die Justiz als Kontrollinstanz für Gesetzesentwürfe auszuschalten. Militärtribunale dürften öfter als bisher Zivilisten richten.
Die Unterstützer des Präsidenten behaupten, das alles sei richtig und wichtig, um Ägypten zu stabilisieren und der Kampf gegen den Terrorismus erfolgreich fortzusetzen.
"Die Verfassung ist nicht der Heilige Koran, sie muss an Notwendigkeiten angepasst werden."
Einer, der lange in der EU gelebt hat, widerspricht:
"Die Änderungen festigen die autoritäre Macht des Militärs. Es ist unvernünftig, wenn wir es anders machen als die zivilisierte Welt. Dort bleibt der oberste gewählte Herrscher ein oder zwei Mal vier oder fünf Jahre im Amt, anschließend wird eine neue Kanzlerin gewählt."