Gerade noch hat alle Welt (ich auch) Angela Merkel dafür gelobt, dass sie pragmatisch entschieden hat, Flüchtlinge, die in Ungarn feststeckten, nach Deutschland einreisen zu lassen. Doch dann hat am Sonntagabend der Koalitionsausschuss von SPD und CDU/CSU Maßnahmen beschlossen, die höchst problematisch sind, wie Pro Asyl in einer Stellungnahme betont:
Die Dauer, die Asylsuchende in Erstaufnahmeeinrichtungen bleiben können, wird von drei auf sechs Monate erhöht. Schon jetzt sind aber die Erstaufnahmeeinrichtungen hoffnungslos überfüllt. Zwar verschafft eine längere Verweildauer dort den Kommunen, die für die Unterbringung von Flüchtlingen im Asylverfahren zuständig sind, etwas mehr Zeit. Aber die Situation in diesen Lagern ist schon jetzt höchst prekär. Und dass es gelingt, die Kapazitäten innerhalb kürzester Zeit von 45.000 auf 150.000 Plätze aufzustocken, klingt eher wie ein frommer Wunsch.
Andere Maßnahmen sind reine Schikane: So soll sich mit der Verlängerung des Aufenthalts in der Erstaufnahmeeinrichtung ausdrücklich auch die Residenzpflicht verlängern, wonach es Flüchtlingen verboten ist, innerhalb von Deutschland zu reisen. Und sie sollen kein Bargeld mehr bekommen, sondern möglichst nur noch Sachleistungen.
Das alles steht unter der bezeichnenden Überschrift „Fehlanreize abschaffen“, was übersetzt heißt: Konkreten Nutzen hat es nicht, es ist reine Schikane. Vermutlich sind solche „Denen soll es hier aber nicht zu gut gehen“-Beschlüsse auch der Koalitionsarithmetik geschuldet, schließlich sind die Hardliner in der Regierung fuchsteufelswild, weil Merkel die Grenzen überhaupt geöffnet hat.
Aber eine solche Symbolpolitik ist hoch gefährlich. Denn sie bestätigt letztlich die rechte Propaganda, wonach es in Deutschland „falsche“ Anreize gebe, die Menschen aus aller Welt angeblich hierher locken, und schürt damit das Feuer rechtsextremer Terroristen. Denn aller Freude über die Willkommensbekundungen an Bahnhöfen zum Trotz darf ja nicht vergessen werden, dass nach wie vor fast täglich rassistische Anschläge auf Flüchtlinge oder Flüchtlingsunterkünfte verübt werden.
Ernsthaft zu glauben, es kämen weniger Menschen nach Deutschland, wenn sie hier kein Bargeld bekommen oder länger in einem Erstaufnahmelager festgesetzt werden, ist vollkommen absurd. Diese Menschen haben schließlich kaum noch etwas anderes zu verlieren als ihr Leben. Ja, viele von ihnen wollen ausdrücklich nach Deutschland. Aber nicht wegen 157 Euro im Monat, sondern weil es in Deutschland halbwegs rechtsstaatlich zugeht, und vor allem, weil es ein wirtschaftlich reiches Land ist, in dem sie hoffen können, sich eine Existenz aufzubauen.
Es stimmt deshalb, was Pro Asyl schreibt: „Die Solidarität mit Flüchtlingen wird sich nicht länger auf Kleiderspenden und Willkommensgesten beschränken können, sondern sich dringend gegen die aktuellen Pläne der Bundesregierung richten müssen.“