Es gibt unterschiedliche Welten, und eine, in der ich nicht lebe und mich dementsprechend auch nicht besonders gut auskenne, ist die von Finanz- und Unternehmensberatungen. Aber man soll ja auch mal über den Tellerrand schauen, und so bin ich folgender Meldung nachgegangen: Die Unternehmensberatung Mc Kinsey hat herausgefunden, dass „Advancing womens equality can add 12 trillion to global growth“ – also, dass es das globale Wachstum um 12 Billionen Dollar erhöhen könnte, wenn Staaten die Gleichheit von Frauen vorantreiben.
Ich finde das faszinierend: 12 Billionen – das hört sich doch sagenhaft an! (Das englische „Trillionen“ klingt natürlich noch sagenhafter). Wirtschaftswachstum, Wohlstand, unglaublich viel mehr Geld, und das nur durch ein bisschen mehr Gleichberechtigung!?
Wie kommt man auf so eine Zahl, fragte ich mich, wie lässt sich sowas ausrechnen? Offenbar haben die Berater ein „Best in Region“-Szenario angelegt, also prognostiziert, was sich in einem Land bis zum Jahr 2025 ändern würde, wenn es die Gleichheit der Geschlechter genauso stark vorantreiben würde wie das vorbildlichste Land in der jeweiligen Region. Ihr Ergebnis: Das globale Bruttoinlandsprodukt würde in diesem Zeitraum um eben jene 12 Billionen Dollar ansteigen, das wären elf Prozent.
Theoretisch, so die Studie, wäre sogar noch mehr drin: Wenn man nicht das (realistische) Maß des jeweils regionalen Vorreiters in Sachen Gleichstellung anlegte, sondern ein so genanntes „Full Potential“-Szenario, also sich mal utopischerweise ausmalt, Frauen würden genau dieselbe „Rolle auf dem Arbeitsmarkt spielen“ wie Männer, dann könnte die Weltwirtschaft sogar um 28 Billionen Dollar wachsen, also etwa um ein Viertel!
Allerdings: Ob das im Alltag auch ein besseres Leben für die Menschen bedeuten würde, bezweifle ich doch stark. Denn das Bruttoinlandsprodukt gibt „den Gesamtwert aller Güter, das heißt Waren und Dienstleistungen, an, die innerhalb eines Jahres hergestellt wurden“ (Wikipedia). Erfasst wird also alles, wofür Geld geflossen ist. Und alles andere eben nicht.
Frauen arbeiten aber nicht nur für Geld. Auch diejenigen, die kein Geld verdienen, drehen deshalb nicht einfach nur Däumchen. Sondern sie tun allerlei, was ganz direkt dem Wohlstand ihrer Gesellschaft zugutekommt: Sie putzen, waschen, kochen, nähen, bauen Gemüse an, versorgen Kinder und Kranke. Wirtschaftliches Wohlergehen allein am Faktor „Geld“ zu messen, ergibt also ein schiefes Bild.
Wohlstand im Sinne von einem guten Leben der Menschen lässt sich nur daran messen, wie gut für die Bedürfnisse der Menschen gesorgt ist: Haben sie alle zu essen und zu trinken, etwas Anzuziehen, ein Dach über dem Kopf? Kümmert sich jemand um sie, wenn sie krank sind oder alt? Sind die Toiletten in den Schulen geputzt, sind die Nahrungsmittel gesund, die Parks gepflegt? Sind die Menschen mobil, haben sie alle Zugang zu Bildung und Kultur, können sie sich mit ihren Wünschen und Ideen in die Gesellschaft einbringen? Wie und von wem das genau erledigt wird, ob gegen Bezahlung oder auf freiwilliger Basis, das ist erst einmal egal – auf das Ergebnis kommt es an!
In den siebziger Jahren haben Feministinnen eine gerechtere Verteilung von bezahlter und unbezahlter Arbeit zwischen den Geschlechtern gefordert. Ihr Vorschlag war: Zwanzig Stunden Erwerbsarbeit für alle Erwachsenen pro Woche – dann hätten nämlich auch alle Erwachsenen, egal ob Männer oder Frauen, neben dem Geldverdienen noch genügend Zeit, um ohne Druck all das zu tun, was nötig, aber unbezahlbar ist. Ich finde, das ist nach wie vor eine Super-Idee.
Leider läuft es in den so genannten „entwickelten“ Ländern momentan darauf hinaus, dass alle Erwachsenen vierzig Stunden pro Woche Erwerbsarbeit leisten sollen, mindestens. Für viele führt das zu Dauerstress und Mehrfachbelastung, vor allem wenn sie sich um Kinder oder alte Menschen kümmern. Die Löhne im so genannten „Care-Sektor“, also bei den Tätigkeiten, die früher (als es sowas noch gab) die Hausfrauen gratis erledigt haben, sind unanständig niedrig, was auch kein Wunder ist, denn sie sind nicht im kapitalistischen Sinne profitabel. Das ist auch der Grund, warum die Sorgearbeiten nicht unbedingt besser erledigt werden, wenn man sie in eine betriebswirtschaftliche Logik hineinzieht. Von den Superreichen abgesehen, sind die meisten pflegebedürftigen alten Leute heute darauf angewiesen, dass sich prekäre Care-Migrantinnen, zum Beispiel aus Osteuropa, um sie kümmern.
Ob es wirklich sinnvoll es ist, dieses Modell der ganzen Welt als Vorbild hinzuhalten – na, ich weiß nicht.