Frauen sind nicht „männlich“. Niemals.

Über Facebook stieß ich auf eine Seite mit großartigen Fotos von „Butches“, also Frauen (meist Lesben), die aufgrund ihrer Kleidung, ihrer Körperhaltung, ihrer Mimik und Gestik auf den ersten Blick so aussehen, als wären es Männer.

Fotografiert hat sie SD Holman – eine Künstlerin_ein Künstler aus Kanada, die nicht geschlechtlich zugeordnet werden möchte, weshalb es in der deutschen Sprache schwierig ist, über ihn zu schreiben.

Das Projekt solle zeigen, sagte Holman in einem Interview, „dass Männlichkeit nicht die alleinige Domäne von Männern ist und das auch niemals war.“ Und in der Tat: Beweisen die Fotos nicht genau das? Beweisen sie nicht, dass Frauen „männlich“ aussehen können, dass sie sich auf eine Weise präsentieren, dass man sie tatsächlich für Männer halten kann?

Tatsächlich entspann sich bei Facebook schnell eine Diskussion über das Thema. Manche kritisierten, dass diese Fotos eine patriarchale Männlichkeit feiern würden. Sie fragten: Das soll Feminismus sein, wenn Frauen versuchen, Männer zu imitieren? Andere hingegen fanden die Fotos toll: Zeigen sie nicht, dass die Vorstellungen, die wir von den Geschlechtern haben, vollkommen willkürlich sind, weil Frauen eben auch männlich sein können – und Männer entsprechend auch weiblich?

Ich bin mit beiden Interpretationen nicht einverstanden. Wer sagt denn eigentlich, dass Hosen, Tatoos, Muskeln und herausfordernde Blicke „männlich“ sind? Ich sehe auf diesen Fotos keine „Männlichkeit“, sondern ich sehe Frauen, die anders aussehen, als das, was wir normalerweise von Frauen gewohnt sind. Sie posieren nicht „als Männer“, sondern sie entwerfen eine ungewohnte Art von Weiblichkeit.

Das ist so ähnlich wie mit den Hosen. Noch vor hundert Jahren waren Hosen in Europa ganz klar ein männliches Kleidungsstück – Frauen trugen Röcke oder Kleider. Eine Frau in Hosen löste schnell mal einen Skandal aus. Inzwischen kann man das wohl kaum noch sagen. Dass Frauen Hosen tragen, ist heutzutage das Normalste von der Welt, Hosen sind inzwischen also genauso „weiblich“ wie „männlich“.

Deshalb würde ich sagen: Als die ersten Frauen anfingen, Hosen zu tragen, zogen sie sich nicht an „wie Männer“, sondern „wie Frauen, die Hosen tragen“. Und im Laufe der Zeit machten sie so die Hosen zu einem originär weiblichen Kleidungsstück.

Ich finde es auch nicht richtig, wenn über einen Mann, der gut mit Babies umgehen kann oder der sensibel und gesprächsbegabt ist, gesagt wird, er sei „weiblich“, nein, er ist einfach ein Mann, der gut mit Babies umgehen kann und so weiter. Und eine Frau, die eher rational als emotional argumentiert, die gerne Fußball spielt und dicke Autos fährt, lebt damit auch keine irgendwie „männliche“ Seite aus, sondern einfach nur sich selbst.

Alles, was eine Frau tut, ist weiblich – allein deshalb, weil es eine Frau ist, die das tut. Es gibt keine natürliche, gottgegebene, unhinterfragbare „Weiblichkeit“, die Frauen erfüllen müssten, um „wirkliche Frauen“ zu sein. Jede Frau ist eine „wirkliche“ Frau. Auch wenn wir als Gesellschaft das vielleicht nicht immer auf den ersten Blick erkennen. Das liegt dann aber nur an unseren eigenen Vorurteilen.

Und es ist super, dass es immer wieder Frauen gibt, die das Gewohnte durchbrechen und überschreiten. Denn dadurch erweitern sie auf lange Sicht die Möglichkeiten für alle Frauen.

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fischundfleisch

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