Liebe Mitfrauen, bevor Sie morgens ins Büro gehen, tun Sie bitte Folgendes: Beugen Sie sich vor dem Spiegel nach unten und überprüfen Sie, was jemand, der Ihnen gegenüber sitzt, dann zu sehen bekommt: „Ist nur die flache Stelle der Kuhle zwischen den Brüsten zu sehen, geht das in Ordnung, wenn aber das weiche Gewebe sichtbar wird, berührt der Anblick den sinnlichen Reiz.“
Was sich liest, wie ein schlechter Witz, ist tatsächlich eine detaillierte Anleitung im Manager-Magazin, die Frauen sagt, wie sie sich zu kleiden haben im Berufsleben. Denn, wir wissen ja, Männer sind Tiere, die sofort an Sex denken, wenn sie eine Frau sehen, die keine Burka trägt – pardon – nicht „angemessen“ bekleidet ist. Daher, liebe Frauen: „Achten Sie auf einen Verschlussknopf auf Brusthöhe oder knapp darüber. Knopfabstände bei Blusen sollten zur Sicherheit dicht genug sein, etwa sechs bis acht Zentimeter je nach Stoff und Knopfgröße.“
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Als ob Managerin zu sein, nicht schon schwer genug wäre, mit Wirtschaftskrise, Personalverantwortung, gläsernen Decken und so weiter. Aber nein, eine Frau muss auch noch darauf achten, dass sie den schmalen Grat akzeptabler öffentlicher Sichtbarkeit nicht verlässt. Die Stilberaterin bringt den mit der Devise „Frau ja – Weibchen nein“ auf den Punkt. Nichts ist nämlich schlimmer als eine Frau, der man nicht sofort ansieht, dass sie eine Frau ist. Aber direkt danach kommt eine Frau, der man „ihre Weiblichkeit“ wiederum zu sehr ansieht.
Für diesen Balanceakt muss eine Frau, die im Wirtschaftsleben Erfolg haben will, ebenso viel Gehirnschmalz aufwenden wie für ihre Zahlen und beruflichen Strategien. Und sie muss es sich notfalls auch was kosten lassen: „Die Jacke sollte zu schließen sein. Kaufen Sie im Zweifelsfall eine Nummer größer und lassen Sie die Jacke in der Taille wieder schmaler machen, wenn Sie eine schlanke Körpermitte und mehr Oberweite haben.“
Nun kann man sich über solche Ratgeber-Kolumnen leicht lustig machen, aber leider hat das alles ja einen wahren Kern: Es funktioniert wahrscheinlich oft tatsächlich so. Wobei ich ehrlich gesagt nicht glaube, dass es bei den Komplikationen wirklich um Sex geht. Eine Frau im wallenden Gewand mit floralem Muster oder im orangenen Kostüm mit Glitzer-Knöpfen würden die Manager-Männer ja ebenfalls nicht ernst nehmen, obwohl dabei kein bisschen Busen zu sehen wäre.
Nein, es sind nicht ihre sexuellen Triebe, die die Herren durcheinander bringen, sondern es ist die Kränkung, dass sie nicht mehr allein maßgeblich sein sollen in der Welt. Weil da jetzt diese merkwürdigen und rätselhaften weiblichen Wesen herumlaufen und mitreden wollen. Aus diesem Grund ist es gefährlich, sie allzu offensichtlich daran zu erinnern, dass man tatsächlich eine waschechte Frau ist (und nicht einfach eine mehr oder weniger geschlechtsneutrale Variante ihrer selbst).
Was wir ganz dringend bräuchten, das wären einschlägige Kolumnen, die sich an Männer richten: „Hilfe, man sieht meiner Chefin schon von weitem an, dass sie eine Frau ist. Was kann ich tun, damit ich sie trotzdem ernst nehme?“
Fotocredit: Fotolia, Sergey Nivens