Nur wer Frauen benennt, meint sie auch

Neulich bekam ich eine Mail mit der Signatur „Katharina X, Studienleiter“. Ich war kurz irritiert, denn hinter dem Namen „Katharina“ hätte ich eine Studienleiterin vermutet, also eine Frau. Sicher, es gibt eine winzige Möglichkeit, dass diese Katharina X. ein genderqueerer Mensch ist und vielleicht zwar als Mann angesprochen werden, aber dennoch einen weiblichen Vornamen tragen will.

Ich vermute aber, in Wirklichkeit ist Katharina X einfach eine dieser Frauen, die keinen Wert auf weibliche Personenbeschreibungen legen. Davon gibt es neuerdings ja wieder viele. Sogar auf Blogs mit feministischem Anspruch findet sich inzwischen das generische Maskulinum, also eine männliche Bezeichnung für Personen – Schüler, Leser, Fahrradfahrer – bei der Frauen angeblich „mitgemeint“ sind. So etwa beim Frauen-Wirtschaftsblog „Edition F“, das durchgängig im Maskulinum schreibt, außer, es sind ausdrücklich und ausschließlich Frauen gemeint.

Und ich muss sagen: In gewisser Weise kann ich den Unwillen gegenüber dem weiblichen Extra-Genanntwerden verstehen. Ich finde das auch lästig. Ich würde auch lieber in einer Welt leben, die dieses Problem nicht hat. Denn natürlich stimmt es, dass die Verwendung von Doppelformen (Redakteurinnen und Redakteure) bedeutet, dass permanent auf den Faktor „Geschlecht“ hingewiesen wird. Dass die Aufmerksamkeit auf die Geschlechterdifferenz gelenkt wird, wo es doch eigentlich um das „Menschsein“ gehen sollte.

Leider gibt es dieses neutrale „Menschsein“ aber nicht. Unter „Menschen“, und erst recht, wenn über sie im generischen Maskulinum gesprochen wird, stellen wir uns nun einmal Männer vor, und keine Frauen. Das ist in einer Vielzahl wissenschaftlicher Studien zweifelsfrei erwiesen – zum Beispiel hier – http://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.gleichberechtigung-in-der-sprache-nur-wer-von-frauen-spricht-meint-sie-auch.39a3ca8e-d760-4eac-a9ad-c50ca1e64966.html

Frauen nicht sprachlich zu benennen, bedeutet faktisch, vor dem inneren Auge der Leserinnen und Zuhörer eine ausschließlich von Männern bevölkerte Welt entstehen zu lassen. Da kann man noch so treuherzig zu behaupten, Frauen wären doch „mitgemeint“. Ich kann auch nicht von Äpfeln reden und hinterher behaupten, ich hätte Birnen mitgemeint. Wenn ich von Äpfeln rede, muss ich nun einmal damit rechnen, dass die Leute auch „Äpfel“ hören.

Wie gesagt: Das alles ist keine Ansichts- oder Meinungssache, sondern eine Tatsache. Frauen sind nur dann wirklich „mitgemeint“, wenn sie auch wirklich angesprochen werden. Zu etwas anderem ist das menschliche Gehirn schlichtweg nicht in der Lage.

Möglich, dass sich das irgendwann ändert. Möglich, dass wir uns in zweihundert oder dreihundert Jahren kulturell darauf trainiert haben, tatsächlich an Frauen zu denken, wenn wir von „Menschen“ oder „Lesern“ sprechen. Momentan ist es aber noch nicht soweit. Gerade Frauen, die souverän und selbstbewusst sind, müssten diese Tatsache eigentlich akzeptieren und entsprechend verantwortungsbewusst handeln.

Dass das Deutsche – wie viele andere Sprachen auch – eine „Männersprache“ ist (ein Begriff, den die Pionierin der feministischen Linguistik, Luise Pusch, ganz treffend geprägt hat), ist nicht schön. Dass wir eine 4000 Jahre lange Geschichte des Patriarchats auf dem Buckel haben, die sich tief in unsere Kultur und Denkmuster eingeprägt hat, bis hinein in sprachliche Verästelungen, ärgert mich auch.

Aber Erkenntnisse der Sprach- und Kognitionswissenschaften einfach beiseite zu fegen, bloß weil sie einer nicht gefallen, ist irgendwie kindisch.

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Ribiselkiesel

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