Litt er an Verfolgungswahn? Lag es daran, dass er Bosnier war? Litt er an einer Gewaltpsychose? War er verrückt? Oder war er vielleicht doch ein islamistischer Terrorist?
Es ist bisher nicht bekannt, was der Grund für die brutale Amokfahrt des Mannes durch Graz war, aber es ist verständlich, dass die Öffentlichkeit darüber spekuliert, wie es dazu kommen konnte. Immer, wenn etwas so Schreckliches passiert, will man wissen, was die Ursachen sind, ob man es hätte verhindern können. Das ist nur menschlich. Die Frage ist aber, wie wir dabei spekulieren. Ob hinter unseren Spekulationen das echte Bemühen steckt, zu verstehen, was passiert ist, oder ob wir versuchen, das Unglück anderer für uns selbst zu instrumentalisieren.
Wenn zum Beispiel auf dem „bosnischen Hintergrund“ des Täters (der ein österreichischer Staatsbürger war) verwiesen wird, stellt sich die Frage, warum. Gibt es irgendeinen Anlass, diesen Zusammenhang herzustellen? Oder will man es einfach mal wieder auf „die Ausländer“ schieben? Genauso absurd ist es, einen islamistischen Terroranschlag zu vermuten. Dafür gibt es nämlich rein gar keine Hinweise.
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Auf etwas anderes hingegen gibt es hingegen sehr handfeste Hinweise, nämlich auf eine bereits polizeilich dokumentierte „häusliche“ Gewaltbereitschaft dieses Mannes. Er hat bereits vor seiner jetzigen Amokfahrt Gewalt gegenüber seiner Frau und seinen Kindern ausgeübt. Die Frau wollte sich von ihm scheiden lassen, aus der gemeinsamen Wohnung war er verwiesen worden.
Nun ist seit langem bekannt, dass brutale Aggressivität bei Männern, die von ihren Frauen verlassen werden, nicht selten ist. In Deutschland versucht statistisch fast jeden Tag ein Mann, seine Ehefrau oder Partnerin zu töten, weil sie ihn verlassen hat; jedem zweiten davon gelingt es. 138 Frauen sind im Jahr 2013 in Deutschland von Männern getötet worden, weil sie sich getrennt hatten. Und zwar ganz überwiegend von deutschen Männern, ohne jeden Migrationshintergrund.
„Knapp ein Viertel aller Frauen, die sich schon einmal aus einer Paarbeziehung gelöst haben, war von körperlicher und/oder sexueller Gewalt durch frühere Partner betroffen“ heißt es in einer Broschüre des deutschen Familienministeriums zum Thema „Gewalt gegen Frauen in Paarbeziehungen“. Knapp jede dritte Befragte, die sich aus einer Paarbeziehung gelöst hat, gab demnach Gewalt, Drohungen und diverse Formen von Nachstellung und Bedrängtwerden durch einen Ex-Partner an, und etwa jede zehnte war „im engeren Sinne im direkten Kontext von Trennung und Scheidung von Gewalt, deren Androhung und Angriffen auf Eigentum/Wohnung und die Kinder betroffen.“
Wäre es also so verwunderlich, wenn im Fall des Attentäters von Graz diese ungeheure Brutalität sich ausnahmsweise einmal nicht (nur) gegen die Frau und die Kinder, sondern auch gegen andere, gegen Unbeteiligte gerichtet hat?
Dass Männer in unserer Kultur aggressiv und brutal werden, wenn Frauen sie gegen ihren Willen verlassen, sind eben keine Einzelfälle. Doch obwohl es so häufig vorkommt, wird es von der Öffentlichkeit praktisch gar nicht wahrgenommen. So als würden wir es irgendwie für „normal“ gehalten, wenn verlassene Männer austicken. Das spiegelt sich teilweise auch in der Berichterstattung über Graz. In einer Meldung las ich, der Attentäter sei womöglich durch die Wegweisung aus der Familienwohnung „zur Amok-Fahrt getrieben“ worden. Eine andere Zeitung interviewte einen Psychologen zu Thema Gewaltpsychosen unter der Überschrift „Junge Männer öfter betroffen“.
Man sieht in solchen Formulierungen das Bemühen um Passivkonstruktionen, den Versuch, das Ganze als Unglück darzustellen, als ein Trieb, der das sozusagen wie eine höhere Naturgewalt die Männer überkommt, an dem sie aber nicht aktiv beteiligt sind. Dass hier ein systematisches Problem vorliegt, ein kulturelles Muster, eine verquere Vorstellung von Männlichkeit, von Männerehre und von männlichem Anspruchsdenken – darüber wird nicht diskutiert. Wenn Männer reihenweise durchdrehen, wenn eine Frau sie verlässt, wenn so viele von ihnen daraufhin brutal werden und Leute umbringen (auch wenn es in der Regel „nur“ die betroffene Frau ist), dann können wir uns als Gesellschaft nicht länger schulterzuckend abwenden und sagen: Das ist halt so.
Möglicherweise ist das jetzt so. Ganz bestimmt aber darf es nicht so bleiben.