Als kürzlich die Frankfurter Allgemeine Zeitung einen Bericht über einen Mann brachte, der sich bei einem Jahreseinkommen von 120.000 Euro brutto keineswegs reich fühlt, setzte es gepfefferte Kommentare im Internet. Denn aus der Perspektive einer Friseurin, eines Arbeitslosen, einer Alleinerziehenden oder eines Kellners sind 120.000 Euro im Jahr unfassbar viel Geld. Da klingt es zynisch, wenn jemand darüber klagt, dass er nur ein durchschnittliches Haus besitzt und keines, das „richtig was hermacht“, oder dass er im Garten nur einen Wacholderbaum pflanzen konnte und keinen „Groß-Bonsai für 20.000 Euro“.
Aber tatsächlich erscheinen 120.000 Euro Jahreseinkommen fast wie Peanuts angesichts der Superreichen, die Milliarden besitzen und nicht nur den Groß-Bonsai im Garten, sondern auch die Yacht in Monaco oder die Villa auf Ibiza und das Elite-Internat für die Kinder. Das reichste Prozent der Weltbevölkerung, so hat die Hilfsorganisation Oxfam gerade erst ausgerechnet, besitzt mehr Vermögen als alle anderen Menschen zusammen.
Tatsächlich klingt das Leben der oberen Mittelschicht mit jenen 120.000 Euro Jahreseinkommen nicht wirklich luxuriös: Skifreizeiten für die Söhne, ein BMW in der Garage, Fitnessraum im Keller, Schmuck für die Ehefrau (die offenbar nicht erwerbstätig sein muss), und genug Polster, falls die Eltern mal ein Pflegeheim brauchen. Ist das wirklich zu viel verlangt? Eigentlich wohl nicht. Der wirkliche Skandal liegt vielmehr darin, dass so ein Leben die große Ausnahme ist. Immer mehr Menschen können sich all diese Dinge leider nicht leisten. Obwohl sie in der Tat keineswegs obszönen Wohlstand bedeuten.
Viele Menschen haben keinen Job, mit dem sie eine vierköpfige Familie durchbringen können. Sie brauchen nicht überlegen, ob sie vielleicht eine Sauna im Keller einbauen lassen sollen, denn sie haben sowieso kein Haus, geschweige denn eine „von der Putzfrau gesäuberte Fensterfront im Wohnzimmer“. Stattdessen müssen sie rechnen, wie sie die Klassenfahrten ihrer Kinder bezahlen sollen. Oder sogar die Schulhefte. Und den Gedanken, ihre Eltern könnten einmal pflegebedürftig werden und einen Heimplatz brauchen, verdrängen sie gleich, weil sonst: Verzweiflung.
Die Ungleichheit der Lebensverhältnisse hat sich in Deutschland in den vergangenen vierzig Jahren verdoppelt, und in Österreich dürfte es nicht wesentlich anders sein. Dank neoliberaler Wirtschaftspolitik sind soziale Sicherheiten nach und nach und großflächig abgebaut worden. Mit der Folge, dass ein geruhsames Leben ohne große finanzielle Sorgen heutzutage eben leider nicht mehr für einen breiten Mittelstand selbstverständlich ist. Sondern zu einem Privileg von wenigen – ja: den Reichen – geworden ist.
Ich kann verstehen, dass die Glücklichen, die noch ein solches relativ sorgenfreies Leben führen können, sich angesichts des Lebensstils der Super-Duper-Hyper-Reichen nicht wirklich so fühlen, als würden sie selbst im Luxus schwelgen. Sie haben völlig Recht, darauf zu verweisen, dass ein Leben in Sicherheit und ohne finanzielle Sorgen doch eigentlich ein Menschenrecht sein sollte. Sie müssten sich dann aber schon klarmachen, dass genau das heutzutage eben ein Privileg ist, das nur wenige besitzen. Und das müssten sie dann auch so skandalös finden, wie es ist.